Sauer-Orgel zum Klingen gebracht

■ 23.000 Arbeitsstunden gingen in die Restaurierung der Orgel im Dom / Festliche Einweihung am dritten Advent

„Musikstadt Bremen“ mausert sich vielfältig und einfallsreich: Ab dem dritten Advent werden die Aktivitäten in der Stadt um eine überregionale Komponente erweitert. Es handelt sich um die Restaurierung der Sauer-Orgel im Dom, die nun nach eineinhalbjähriger Bauzeit erfolgreich abgeschlossen ist. In der Pressekonferenz überschlugen sich vor Lust an der Präsentation des überdimensionalen Instrumentes der Domorganist Wolfgang Baumgratz, der Orgelbauer Christian Scheffler und der Intonateur Matthias Ullmann, so die Berufsbezeichnung des Meisters der Intonation, ohne den kein Orgelbauer auskommt.

Die 1894 erbaute Orgel war eine von über tausend gebauten und noch ca. 300 erhaltenen Orgeln des Berliner Orgelbaumeisters Wilhelm Sauer. Sie ist nach dem romantischen Stilideal gebaut, das die Imitation des Orchesterapparates anstrebt – wie übrigens bei Orgeln anderer Epochen auch. Mit 100 nun wieder hergestellten Registern – das entspricht 6.000 Pfeifen – und vier Manualen ist die Orgel die zweitgrößte ihrer Art: Die größte steht mit 103 Registern im Berliner Dom, danach folgt die Leipziger Orgel in der Thomaskirche mit 93 Registern; beide hat auch Christian Scheffler aus Frankfurt an der Oder restauriert.

Im Zuge der Orgelbewegung am Anfang dieses Jahrhunderts wurde das Instrument zugunsten von extra eingebauten grellen und scharfen Registern erbärmlich gekappt: „Der Streicherklang war zum Beispiel vollkommen weg“, so Matthias Ullmann. Er erläuterte an einer Pfeife, wie mit winzigen materialen Veränderungen und Manipulationen um den Charakter der Klänge gekämpft wird: „Jetzt kann man von der Baßflöte bis zur Piccolo alles hören“. Und Wolfgang Baumgratz: „Es gibt nichts Mulmiges mehr, alles ist deutlich“.

Mit einer Reihe von illustren Konzerten werden die Möglichkeiten dem Publikum vorgespielt: So –— nach Wolfgang Baumgratz — von Zsigmond Szathmary aus Freiburg, von Daniel Roth aus Paris, John Scott aus London und Hans Ola Ericsson aus Schweden, dem jüngst berufenen Professor für Orgel an der Hochschule für Musik in Bremen.

Die Finanzierung dieses gewaltigen Vorhabens hat einen Vorlauf von über zehn Jahren und wäre, so Wolfgang Baumgratz, „heute überhaupt nicht mehr denkbar“. Die Bremische evangelische Kirche stellte 1,5 Millionen bereit, das Ganze kostet bei einer eineinhalbjährigen Bauzeit aber sicher erheblich mehr. Genauer? „Rechnen Sie“, sagt sybillinisch Christian Scheffler, „23.000 Arbeitsstunden“. Dazu kommt noch der Nachbau des neugotischen Prospektes durch eine Tischlerei.

Auch wenn mit dieser Restaurierung eine historische Orgel wiederhergestellt wurde, so stellt sich bei deren atemberaubenden klanglichen Dimensionen doch die Gretchenfrage nach der Wiedergabe der Werke von Johann Sebastian Bach und den Komponisten seiner Epoche. Denn auch mit dem romantischen Sinfonie-Orchester spielt man heute – zumindest hat sich das weitgehend rumgesprochen – nicht mehr die Werke des Barock. Dies allerdings sieht Wolfgang Baumgratz nicht so eng: „Bach ist dann einfach in eine andere Sprache übersetzt. Außerdem sind die alten Orgeln, zum Beispiel die von Arp Schnitger und Alfons Silbermann, so unglaublich verschieden, daß man sowieso nicht weiß, wie die Klangvorstellungen von Bach waren“. Warten wir–s ab. Das letzte Wort darüber sprechen bzw. spielen die eingeladenen InterpretInnen, die ohne Ausnahme eben genau Bach spielen werden.

Ute Schalz-Laurenze

Am 15. Dezember um 10 Uhr Einweihung der Orgel in einem Festgottesdienst durch Wolfgang Baumgratz, am 19. Dezember um 19 Uhr spielt Wolfgang Baumgratz, am 9. Januar Zsigmond Szathmary aus Freiburg.