Seine Majestät im Dienste des Führers

Neue Dokumente enthüllen: Herzog Edward von Windsor und Ehefrau wollten unbedingt auf Englands Thron – notfalls als eingesetzte Herrscher von Nazideutschlands Gnaden  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Sie wäre so gerne Königin von England geworden – und zwar „um jeden Preis“, wie aus geheimen britischen Regierungspapieren hervorgeht, die vorgestern veröffentlicht worden sind. Die Rede ist von Wallis Simpson, der US-amerikanischen Ehefrau von Edward VIII. Der mußte am 11. Dezember 1936, nicht mal zwölf Monate nach seiner Thronbesteigung, abdanken, weil die Londoner Regierung mit seiner Heirat der zweimal geschiedenen Simpson nicht einverstanden war.

Der Preis, den Simpson zu zahlen bereit war, um doch noch Königin zu werden, war in der Tat hoch: Sie und Edward, der nun Herzog von Windsor war, unterstützten die Nazis, um nach einer Besetzung Englands den Thron zu übernehmen. Die beiden statteten Hitler im Jahr 1937 einen freundschaftlichen Besuch ab. Die Naziregierung reaktivierte die Kontakte im Juni 1940 und nahm die Verhandlungen mit Edward auf, der nach seinem Rücktritt mit seiner Frau nach Portugal ausgewandert war.

Edward war ein eitler Lebemann. Anfang der dreißiger Jahre dachte man für einen Moment, daß er ein soziales Gewissen hatte, als er in Wales vor arbeitslosen Bergarbeitern stand und forderte: „Etwas muß getan werden, um diesen Männern zu helfen.“ Abends beim Galadiner hatte er seine Rede jedoch schon wieder vergessen.

Während des Krieges hatte Edward Kontakt zu seinen deutschen Vettern auf Schloß Coburg aufgenommen, um einen Deal auszuloten, der ihn auf den Thron gebracht hätte. Die SS plante offenbar zunächst, Edward nach Spanien zu locken und zu kidnappen, um ihn „zu gegebener Zeit“ – also nach dem Sieg über England – als König einzusetzen.

Aus den jetzt veröffentlichten Papieren vom April 1943, die eigentlich hundert Jahre unter Verschluß bleiben sollten, wird deutlich, daß Edward bei dem Plan freiwillig mitgespielt hätte: Er „erwartete, daß das britische Kabinett in naher Zukunft zurücktreten und eine Labour-Regierung an die Macht kommen wird, die mit Deutschland Verhandlungen aufnehmen“ werde. Dann müsse auch George VI. abdanken, glaubte Edward, und man werde ihn auf den Thron zurückbeordern. „Seine Königliche Hoheit sprach auch davon“, heißt es weiter, „daß England die führende Kraft in einer Koalition mit Frankreich, Spanien und Portugal werde, die Deutschland den Rücken für den Krieg mit Rußland freihalten würde.“

Der US-Armee beschlagnahmte im Mai 1945 auf Schloß Marburg diplomatische Papiere der deutschen Regierung, die Edwards Pläne belegten. Daß Edward mit den Nazis sympathisierte, vermutete die US-Regierung aber schon lange vor Kriegsbeginn. Präsident Roosevelt war deshalb hocherfreut, als der König abdankte und Wallis Simpson heiratete.

Die britische Regierung versuchte nach dem Krieg, Berichte über Edwards politische Einstellung zu unterdrücken. Der damalige Außenminister Ernest Bevin erkundigte sich bei der US-Regierung, ob diese bereit sei, die Dokumente herauszurücken. „Eine Veröffentlichung würde meiner Meinung nach dem nationalen Interesse schweren Schaden zufügen“, schrieb er.

Die US-Regierung wies das Ansinnen zurück: Es wäre ungesetzlich, die Dokumente zu übergeben, weil sie für die Kriegsgeschichte und die Nazimanöver von Bedeutung sein könnten, hieß es in der Antwort. Allerdings ersparte man den Briten bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen die Blamage und brachte die Affäre um Edward und seine Frau nicht zur Sprache. Winston Churchill wollte Edward nach dem Krieg als Diplomat nach Washington schicken, doch Bevin war dagegen, und so wurde nichts daraus.

Im nachhinein war man darüber froh: Edward, der mit seiner Frau seit Kriegsende in Paris lebte, forderte regelmäßig größere Geldbeträge von der britischen Regierung, um seinen Lebenswandel zu finanzieren. Pierson Dixon vom Auswärtigen Amt in London, der mit den Bettelbriefen konfrontiert war, rümpfte die Nase: Zwar hielt er es für angemessen, daß der Herzog von Windsor ein besseres Leben als normale britische Untertanen verdiente, doch in Anbetracht des Sparprogramms der Labour- Regierung müsse man ja nicht übertreiben.

Edward starb 1972 in Paris.