Keiner will Priebke

■ Militärgericht in Italien erklärt sich im Fall des SS-Mannes für unzuständig

Rom (taz) – Mit einem eleganten Side-step hat Italiens Militärtribunal den Fall Priebke für sich gelöst: Der 83jährige SS-Mann, mitverantwortlich für die Erschießung von 335 Zivilgeiseln als Repression für ein Partisanenattentat auf eine Polizeitruppe 1944, soll nun vor ein Zivilgericht. Die Militärgerichtsbarkeit hatte den Fall des 1994 in Argentinien festgenommenen Nazitäters Anfang August 1996 mit einem seltsamen Urteil versehen – schuldig am Massaker ja, aber aufgrund einiger kleiner Schuldminderungen nicht in vollem Maße, weshalb das Verbrechen verjährt sei. Die nächsthöhere Instanz, das Appellationsgericht, hatte das Urteil aufgehoben und ein neues Verfahren vor einer anderen Kammer der unteren Instanz angeordnet – die sich nun hurtig für nicht zuständig erklärt.

Mit der Überweisung an die Zivilgerichtsbarkeit ist der Fall jedoch noch keineswegs weiter: einerseits kann der Militärstaatsanwalt noch einmal Revision verlangen, andererseits könnte sich aber auch das nun zuständige Zivilgericht für nicht zuständig erklären – dann müßte erneut ein Obergericht, letztinstanzlich das Verfassungsgericht, darüber entscheiden, wer nun „muß“. Beginnen könnte das Verfahren, bleibt es bei der gestrigen Entscheidung, frühestens Mitte 1997.

Der Beschluß des Militärtribunals wird von nahezu allen Juristen auch aus anderen Gründen heftig kritisiert: Zwar hatten auch die Nebenkläger während des Verfahrens eine Überweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit gefordert, weil Priebke nicht als Wehrmachtsangehöriger gehandelt hat, sondern als SS-Mann. Doch seit die Revision verfügt wurde und der Fall bei einer anderen Sektion der ersten Instanz liegt, hatten weder der Staatsanwalt noch die Anklage noch die Nebenklage erneut einen solchen Antrag gestellt. Und: das Gericht hat entschieden, ohne die Parteien vorher zu informieren oder anzuhören. Der Fall provoziert, so scheint es, seltsame Verfahrensweisen. Werner Raith