Schlaumeier unter sich

■ Ingenieur: Energieversorger prellen seit Jahren Häuslebauer der Republik

Darmstadt (taz) – Wurden die Häuslebauer der Republik von den regionalen Energieversorgungsunternehmen (EVU) um insgesamt knapp eine Milliarde Mark betrogen? Das jedenfalls behauptet der Ingenieur Siegfried Riedel, Mitglied der Architektenkammer Hessen. Gestern in Darmstadt warf Riedel den EVU vor, die Bauherren in Neubaugebieten bundesweit seit 16 Jahren mit überhöhten Abrechnungen für Stromanschlüsse über den Tisch zu ziehen.

Im Kern der Sache geht es um den „Baukostenzuschuß“ (BKZ). Damit müssen die Bauherren den EVU 70 Prozent der Strom-Erschließungskosten für ein Baugebiet abgelten. In fast allen Fällen, so Riedel, hätten die EVU dabei einzelne Variablen in der Berechnungsgleichung so verändert, daß höhere Rechnungsbeträge heraus gekommen seien als bei korrekter Berechnung des BKZ. Als Beispiel führte Riedel zwei Baugebiete an, die von der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) erschlossen wurden. Dort seien den Hausbesitzern jeweils Beträge zwischen 260 und 1.140 Mark ohne Rechtsgrundlage aus den Taschen gezogen worden.

Daß es bei der Berechnung des Baukostenzuschusses nicht immer mit rechten Dingen zugegangen ist, räumt auch das Hessische Umweltministerium ein, das „aufgrund einer konkreten Beschwerde“ eine Reihe von Fällen überprüft hat. „Für vier Baugebiete ist das Ministerium zu dem Ergebnis gekommen, daß die betroffenen Stromversorger den Bauherren Beträge in unterschiedlicher Höhe zurückzahlen müßten“, heißt es in einer Presseerklärung aus dem Hause Margarete Nimsch (Bündnisgrüne). Allerdings seien für eventuelle Streitigkeiten ausschließlich die Zivilgerichte zuständig.

Für Riedel ein klarer Fall von „Kumpanei von Nimsch mit den EVU“. Strafanzeige wegen „Beihilfe zum Betrug“ gegen die Ministerin und ihren Staatssekretär hat er deshalb erstattet. Doch die zuständige Staatsanwaltschaft in Darmstadt hat das Ermittlungsverfahren bereits eingestellt. Inzwischen hat Riedel selbst eine Klage am Hals: eine Unterlassungsklage der Energieversorgung Offenbach.

Dabei hatte Riedel zuerst versucht, die Angelegenheit unter der Hand zu regeln – zu seinen Gunsten: Laut Katrin Stiem, Sprecherin der EVO, hat Riedel dem Zentralverband der deutschen Energieversorger, der VDEW, „im November 1995 einen notariellen Vertrag angeboten“, der ihm 15 Millionen Mark als Vergütung für seine „Tätigkeit“ bringen sollte – „verbunden mit einer Schweigepflicht“, so die EVO-Sprecherin Stiem, „insbesondere gegenüber der Presse und den betroffenen Stromabnehmern“. Klaus-Peter Klingelschmitt