Nichts als heiße Luft

■ Der Bundestag debattiert über Menschenrechte

Lustlos und feige hat der Deutsche Bundestag eine Pflichtübung absolviert. Alle sagten in der Debatte zur Menschenrechtspolitik das Richtige. Fast alle sagten es mehrfach, fast alle dankten einander über Fraktionsgrenzen hinweg dafür, daß das Richtige mehrfach gesagt worden war.

Das Bemühen um die Durchsetzung der Menschenrechte sei eine zentrale Frage der deutschen Außenpolitik. Die Universalität, also die weltweite Gültigkeit, der Menschenrechte ließe sich nicht mehr in Frage stellen. Es sei keine unzulässige Einmischung, wenn die Beachtung der Menschenrechte andernorts angemahnt werde. So leicht läßt sich Einverständnis über Gemeinplätze herstellen.

So weit, so verlogen. Die Universalität der Menschenrechte ist keineswegs so unumstritten, wie gestern in Bonn vorgegeben wurde. Mit Hinweisen auf andere kulturelle Gepflogenheiten und Traditionen werden – vom Verbot oppositioneller Parteien über ethnische Diskriminierungen und Begünstigungen bis hin zu einer geknebelten Justiz – immer häufiger im Falle einzelner Länder menschenrechtsverletzende Praktiken gerechtfertigt. Der Glaube, daß in Afrika, in Asien, in Lateinamerika „eben andere Maßstäbe angelegt werden müssen“, ist weit verbreitet.

Wirtschaftliche Interessen beflügeln diesen Glauben. Wenn Aufträge für die deutsche Industrie auf dem Spiel stehen, läßt sich die Beachtung der Menschenrechte halt schwerer einklagen, als wenn ein Staat ohnehin nur Empfänger von Entwicklungshilfe ist. Bei rund vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland ist das sogar verständlich, zumal dann, wenn kein Zweifel daran bestehen kann, daß andere gern entgangene Aufträge übernehmen.

Eine ehrliche, differenziert geführte Parlamentsdebatte könnte in diesem Zusammenhang Kriterien entwickeln und Standpunkte definieren. Bequem würde eine derartige Festlegung weder für die Regierung noch für die Opposition.

Einen Königsweg gibt es nicht. Kleidsam ist weder der Vorwurf, die Menschenrechte nicht ernst genug zu nehmen, noch der, Arbeitsplätze zu gefährden. Will man sich beidem nicht aussetzen, dann kommt eben das heraus, was gestern im Bundestag zu beobachten war. Heiße Luft. Bettina Gaus

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