Fliegende Hamburger

Die schönste Modellbahn der Stadt  ■ Von Karin Flothmann

Cuxhaven liegt ganz versteckt, hier stehen ausrangierte Güterwaggons, Dampfloks und Triebwagen. Im Stellwerk parkt der erste IC. Und der Rangierbahnhof Harburg ist außer Betrieb. „Das liegt daran, daß die Strecke nach Cuxhaven seit knapp zwei Jahren stillgelegt ist“, erklärt Margarete Stüve. Im blauen Arbeitskittel geht sie die Gleise entlang und schüttet Schotter zwischen die Schwellen. Eine Prise des grauen Granulats reicht meist.

Die 60jährige macht sich auf den Weg zur Norderelbbrücke. Die ist hier zwar ein Tunnel, aber damit nimmt man's im Museum für Hamburgische Geschichte nicht so genau. Eine der drei Tunnelröhren führt ins Nichts – ein schwarzes Stück Stoff verkleidet die Einfahrt. „Das ist ein Stück von meinem kleinen Schwarzen“, kichert Margarete Stüve.

Sechseinhalb Jahre arbeitet Frau Stüve inzwischen bei der Modelleisenbahn des Museums „als angelernter Elektrohelfer“. Sie repariert Loks, reinigt Weichen, kassiert Eintritt, „und früher hab ich auch noch die drei Stellwerke per Hand bedient“. Die sind in einem Nebenraum und fürs Publikum unsichtbar. 85 Güter- und Personenzüge der Spur I wurden früher von hier aus auf die Reise geschickt – im Maßstab 1:32 durch die Großanlage des Harburger Bahnhofs, durch Hamburgs Hafen, vorbei an Kais, qualmenden Schleppern bis hinein in den Hamburger Hauptbahnhof: drei Tunnel, in die die Züge entschwinden.

Seit gestern abend übernimmt ein Computer die Stellwerkfunktion – die größte Vorführanlage Europas ist wieder in Betrieb. Knapp zwei Jahre lang hatten hier alle Züge still gestanden – zum ersten Mal seit 1949, als die Modelleisenbahn in Betrieb ging. Schuld an der Betriebspause war erst ein Kabelbrand. Der konnte zwar gelöscht werden, aber im März 1995 bescherte dann ein Brandgutachten das Aus für die Bahn. „Die kamen und guckten nur einmal unter die Spanplatten“, erinnert sich Margarete Stüve, „und das war's dann.“ Denn unter der Modelleisenbahn schlängelten sich die Kabel, kreuz und quer, ganz nach Bastlermanier.

Nun sind Kabelkanäle gelegt und beschriftet. Aus Dreileiterwechselstrom wurde moderner Zweileitergleichstrom. Insgesamt 40 Jahre Normen und Elektrikervorschriften mußten nachgearbeitet werden. Ein gutes Stück davon ist geschafft, ehrenamtlich in vielen Stunden Nachtarbeit.

„Modelleisenbahner sind schon reichlich bekloppt“, erklärt Willy Ganter und strahlt übers zerfurchte Gesicht. Seit 1949 ist er selbst einer dieser „Bekloppten“ im „Verein Hamburger Modelleisenbahn“. 50 gibt es insgesamt davon, alles Männer. Ganter, ein gelernter Berufseisenbahner, ist ihr stellvertretender Vorsitzender. Der 63jährige überwachte die ehrenamtlichen Bauarbeiten seiner Vereinsmannen und wird sie weiter überwachen. Denn gut zwei Drittel der 1.200 Meter Gleis und 250 Weichen sind immer noch außer Betrieb. Da fehlte das Geld.

Im Bahnhof Harburg steht der „Schienenzepp“ auf Bahnsteig 1 zur Abfahrt bereit: eine aluschimmernde Zeppelinlok von 1931, angetrieben von einer Luftschraube. „230 Sachen brachte die damals“, weiß Ganter, „wenn die mit voller Kraft durch einen Bahnhof donnerte, flogen die Dachziegel davon – durch den Luftzug.“ Einträchtig neben dem „Zepp“ steht der erste IC des Museums. Seit drei Tagen erst gehört er zum Bestand der Modelleisenbahn. Dampfloks aus den 40ern und Güterzüge aus den 70ern vervollständigen die historische Zeitgleichheit. Nur ein ICE fehlt noch. Und der Transrapid. „Der kommt mir auch nicht ins Haus!“ erklärt Ganter. Keine Räder, nur gleitende Schienen, was hat das mit Modelleisenbahn zu tun? Und abfällig setzt er hinzu: „Das technische Prinzip mag ja ganz nett sein, aber das ist auch alles.“

Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, Dienstag bis Samstag: 10-17 Uhr, Sonntag: 10-18 Uhr Foto: Henning Scholz