Taps in den Fettnapf rüttelt Szene wach

■ Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD): „Die nächste Sparrunde in der Kultur geht richtig an die Substanz“

Noch vor zwei Monaten wollten die SozialdemokratInnen öffentlich „In Kultur investieren“. So zumindest war eine Anhörung der Fraktion im Haus der Bürgerschaft überschrieben. Doch von Mitte Oktober bis Mitte Dezember ist das kulturpolitische Stimmchen im harten Wirtschafts- und Finanzpoker verstummt und von der Wirklichkeit eingeholt worden. Und die lautet: Neue Sparrunden kündigen sich an - für fast alle Ressorts und eben auch für die Kultur.

Hintergrund ist ein Senatsbeschluß vom September. Um im nächsten Frühjahr bei den Nachverhandlungen über eine Verlängerung der Bonner Sonderzuweisungen an Bremen eine bessere Figur zu machen, entschied die Landesregierung, die Schuldentilgung im Doppelhaushaltsjahr 1998/99 um insgesamt 400 Millionen Mark zu erhöhen. Daß dieses Geld irgendwo herkommen muß, wurde einstweilen unter den Teppich gekehrt. Und tauchte bei einer Diskussion über die Regionalisierung in der Soziokultur in dieser Woche urplötzlich wieder auf.

„Bei der Fortschreibung der Eckwerte für die Ressorts gehen die Einsparungen richtig an die Substanz“, sagte Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) gestern gegenüber der taz. Will sagen: Wenn das Kahrs-Ressort nicht von der Sparrunde verschont wird, muß einer oder mehreren Institutionen der Geldhahn zugedreht werden, weil bei den kleinen nichts mehr zu holen ist. „Wir müssen die Prioritäten neu diskutieren“, erklärte Kahrs deshalb und beschrieb ihre kulturpolitische Hauptaufgabe wie folgt: „Ich muß erreichen, daß keine Einrichtung geschlossen wird.“

Damit nicht genug, denn schon für 1997 prognostiziert Kahrs „die blanke Katastrophe“: Je nach Variante müsse das Kulturressort zwischen zwei und drei Millionen Mark einsparen. Einen Vorgeschmack auf die anhängigen Sparrunden des nächsten Doppelhaushalts erwartet bereits im nächsten Jahr vor allem die Soziokultur: Dieser Etat, in den Zuschüsse oder Wettmittel einfließen und von dem sich kleine Initiativen bis hin zu großen Kulturzentren nähren, wird demnach von 4,6 auf 3,7 Millionen Mark gekürzt.

Diese Zahlen unterbreitete Kahrs am Mittwoch bei einer sogenannten Regionalisierungsdebatte mit und gegen die Sozio-Kultur-Szene aus den Stadtvierteln links der Weser. Unter dem Stichwort „Transparenz“ wollte Kahrs die Betroffenen nach eigenen Angaben an den Entscheidungen beteiligen. Was konkret heißt: Bis zum 15. Februar sollen die Aktiven selbst aneinander Hand anlegen und einen Plan ausarbeiten, wie sich mit einem allein zwischen Neustadt und Huchting um 280.000 auf 500.000 Mark verminderten Etat noch Soziokultur veranstalten läßt. Doch ob sie nun mitmachen oder nicht: Im Frühjahr werden nach Angaben der Senatorin auf jeden Fall Entscheidungen gefällt.

Mit dem Verweis darauf, daß 1998/99 mit noch Schlimmerem zu rechnen sei und bei Fortschreibung der Eckwerte das Waldau-Theater, das Musikfest, die Kammerphilharmonie oder die Shakespeare Company gefährdet seien, tappte Bringfriede Kahrs der Szene gegenüber geradewegs in ein Fettnäpfchen. Im Namen von drei der vier Institutionen hieß es aus dem Hause der Shakespeare Company: „Die Drohung der Schließung ist nur als blanker Zynismus zu verstehen.“ Und: „Als Opfer stehen ausgerechnet die Einrichtungen zur Disposition, die als Aushängerschilder Bremens wesentlich zum unverwechselbaren Profil der Stadt beitragen.“

Darauf die Senatorin: Alles nicht so gemeint. Sie habe nur darauf hinweisen wollen, wohin der Senatsbeschluß mit der höheren Tilgung führen wird. Eine „Welle der Identifizierung“ wäre dagegen hilfreich. Kein Irrtum, diese Welle als Proteststurm mißzuverstehen.

Christoph Köster