„Ein Haufen wild gewordener Flöhe“

■ Beim TUS Lichterfelde reifen junge Basketballer zu Spitzenspielern. Der Klub heimst selbst Erfolge ein und beliefert die Großen von Alba mit seinen Talenten

Der Name TUSLI hat einen juvenil-schrägen Klang. Kaum jemand würde vermuten, daß sich hinter dem geheimnisvollen Kürzel einer der erfolgreichsten Basketballklubs in Deutschland verbirgt: der TUS Lichterfelde. 513 junge Basketballer trainieren hier, der Verein produziert deutsche Jugendmeister wie geschnitten Brot, und die begabtesten der Youngsters können sicher sein, einmal ganz groß rauszukommen. TUSLI, behauptete einmal eine Fachzeitschrift, sei die „Talentschmiede der Nation“.

Tatsächlich scheint in der Berliner Sportlandschaft ein Biotop entstanden zu sein. Zwischen dem Verein im Berliner Süden und dem europäischen Spitzenclub Alba Berlin besteht seit fast fünf Jahren eine gute Kooperation im Jugendbereich. Diese Form der Zusammenarbeit bedeutet, daß Alba freien Zugriff auf die Talente hat. Im Gegenzug stellt der Erstligist Spieler wie Emir Mutapcić ab, der Lichterfelde zu einem Spitzenteam der zweiten Liga machte. Wieviel Geld der Kapitän der bosnischen Nationalmannschaft verdient, weiß dort niemand – Alba bezahlt ihn.

Seit in Lichterfelde der große Sport Einzug hielt, steht das Telefon in der Geschäftsstelle nicht mehr still. „Es rufen unzählige junge Leute an, die plötzlich Basketballer werden wollen“, beschreibt TUSLI-Geschäfsführerin Ute Radeklau den neuen Boom. Nach der Europameisterschaft für Deutschland 1993 und Albas Erfolgen im Europapokal ging es dann von „null auf 100“. „Innerhalb von vier Wochen hätte ich einen Großverein füllen können“, erinnert sie sich.

Die Gründe für den Andrang bei TUS Lichterfelde liegen auf der Hand: Von allen Jugendlichen, die aus der Nachwuchsarbeit durch TUSLI und aus der Kooperation mit Alba hervorgingen, sind immerhin 16 Bundesligaspieler geworden, fünf TUSLI-Gewächse schafften es bis in die Nationalmannschaft. Dabei ist die Arbeit mit den Jugendlichen kein Zuckerschlecken. „Bei einem solchen Haufen wild gewordener Flöhe muß man die Geduld eines Schaukelpferds mitbringen“, sagt Geschäftsführerin Radeklau. Die Kleinsten (zwischen 6 und 8 Jahren) fangen als „Minis“ an.

Bereits in dieser Altersklasse gibt es regelmäßig Ligaspiele und Sportfeste mit Gleichaltrigen oder Älteren. Ein „Mini“ soll schon früh an einen geregelten Spielbetrieb gewöhnt werden und ein Zugehörigkeitsgefühl zur Manschaft entwickeln. Die Jugendlichen sind mit Leib und Seele dabei. Da kommt es während eines Spiels schon mal zu kleinen Entgleisungen. Mit Erstaunen beobachtet Ute Radeklau eine Veränderung bei den Spielern: Die üben sich, ganz amerikanisch, im Trash-Talking, dem Beschimpfen der Gegner.

Doch dann greift der Trainer ein und bringt die jungen Wilden durch Verkündung der reinen Basketballehre wieder auf Linie. „Unser Konzept ist einmalig in Deutschland“, sagt der Abteilungsleiter von TUSLI, Michael Radeklau, stolz. Und das spricht sich rum. Besonders in den Ostbezirken habe sich, auch durch den Standort der Max-Schmeling- Halle in Prenzlauer Berg, eine neue Klientel gebildet. „Die Kids würden auch zwei Stunden Fahrt in Kauf nehmen, nur um bei uns zu spielen“, weiß Radeklau.

Doch die Kapazitäten des Vereins sind erschöpft. TUSLI mußte einen Aufnahmestopp verfügen. „Wir können einfach nicht mehr“, sagt Ute Radeklau. Es sei denn, ein neuer Detlef Schrempf käme herein. Der dürfte dann ein Probetraining absolvieren und hätte, wenn sich sein Talent bestätigte, die Perspektive, in der zweiten Bundesliga zu spielen. Dort hüpfen die Großen der ersten Herrenmannschaft herum. Das Aushängeschild des TUS Lichterfelde könnte, von sportlicher Seite aus betrachtet, in die erste Bundesliga aufsteigen. Doch dann stünde die Kooperation mit Alba auf dem Spiel. „Die Zusammenarbeit müßte dann neu durchdacht werden“, sagt Abteilungsleiter Michael Radeklau. Die Behauptung, TUSLI dürfe nicht aufsteigen, weil dann Albas Jugendarbeit gefährdet sei, weist er zurück. „Unser Streben ist darauf gerichtet, eigenständig zu sein, und solange wir die finanziellen Möglichkeiten nicht haben, bleibt alles beim alten.“ Dietmar Neuerer