Alba-Manie auf den Schulhöfen

■ Wenn Alba spielt, kennt die Jugend kein Halten mehr. Der populärste Sportverein der Stadt schlägt selbst Boris Becker. Die Trikots der Spieler gehen weg wie warme Semmeln

Die Max-Schmeling-Halle ist wieder einmal ausverkauft. Über 9.000 Basketballfans sind gekommen, die meisten von ihnen bekennen Farbe und haben sich einen gelben und blauen Streifen auf die Backe gemalt. Die Farben von Alba Berlin, dem gleichermaßen in Ost und West derzeit wohl populärsten Sportverein der Stadt. „Wir sind eben in“ – Marco Baldi, der 34jährige Manager von Alba sagt das mit einer bündigen Selbstverständlichkeit, als hätte er nur behauptet, daß der Ball rund sei.

Und recht hat er. Denn Alba ist das einzige Berliner Sportteam, das auf Weltniveau mithalten kann. Obendrein steht Alba Berlin für eine junge und dynamische Mannschaft, für Charakterköpfe mit Teamgeist – kurz: „für Herz und Engagement“, wie Marco Baldi betont. Weshalb sich das Publikum genauso mit der Mannschaft identifizieren kann, wie der einzelne Spieler. „Ich will Teil einer Jugendbewegung sein“, verkündete denn auch der Spieler mit der Nummer 15, Henning Harnisch (28 Jahre, 2,02 Meter) als Grund für seinen Wechsel von Leverkusen an die Spree.

Natürlich gibt es keine Jugendbewegung, in der nicht auch ein gewisser Modewert eine Rolle spielt. Wie bei der National Basketball Association (NBA) in den USA, in der jedes Team ein eigenes Trikot und Kappensortiment verhökert, gibt auch Alba den Bedürfnissen nach Fan-Gimmicks und Modeartikeln nach: Seit gut einem Monat ist eine eigene Alba-Kollektion aus dem Hause Adidas in besser sortierten Sportgeschäften erhältlich. „Das hat es noch bei keinem anderen deutschen Basketballteam gegeben“, erklärt Manager Baldi. „Normalerweise werden die Trikots nur nach den Spielen verkauft.“ Die Nachfrage war gewaltig, das heißt, die Rechnung ging auf: Die Kollektion ist derzeit schon wieder vergriffen. Und das, obwohl ein Trikot mit Nummer und Namen des Lieblingsspielers nicht weniger als 79 Mark kostet.

Doch nicht nur die Berliner Albatrosse sind zum Kult geworden, sondern gleich die ganze Sportart mit ihnen. „Basektball ist ein ästhetischer Sport, der gleichzeitig actiongeladen ist“, begründet Baldi die Popularität. Sein großer Vorteil gegenüber anderen Sportarten sei es, daß der Zuschauer nicht 90 Minuten ausharren müsse, um dann bloß mit einem Punktestand von 1:0 abgespeist zu werden. Denn heutzutage ist Action angesagt.

„Den Kids kann es gar nicht dynamisch genug zugehen“, weiß der Manager. „Selbst beim Glotzegucken lesen die doch noch nebenbei.“ Einige Basketballvereine der Stadt haben schon einen Aufnahmestopp verhängt. Also spielt man Streetball. Auf den Schulhöfen wird weniger gekickt, man wirft Körbe. „Früher spielten die feineren Leute Hockey, Basketball war etwas für Schüler und Studenten und Fußball war der Volkssport“, erklärt ein 50jähriger Arzt mit Basketball-Dauerkarte. Er selbst begann schon zu dribbeln, als Basketball bei uns noch Korbball hieß. Über den neuen Run auf die Schmeling-Halle wundert sich der Fan. „Vor ein paar Jahren noch war Basketball ein Randsport mit eher minderem Medieninteresse.“ Heute kommen dagegen Leute zum Spiel, die in der letzten Saison noch nicht mal die Regeln kannten. Ob Hertha-Fans, die es auf Dauer einfach leid sind, ihrer Mannschaft im Olympiastadion mal wieder beim Verlieren zuzuschauen, oder Leute, die sonst eher zur Tennisklientel gehören. „Alba schlägt Boris Becker“ – lautet schließlich ein Artikel in der Vereinspostille Albatros News. Ganz offensichtlich freut man sich darüber, daß eine Schar von Journalisten während der ATP Tour Weltmeisterschaft in Hannover vom Pressechef verlangte, wenigstens einen Fernseher im Pressezentrum auf das Europaligaspiel Zagreb gegen Alba umzuschalten.

Oberschüler und Studenten, Schicki-Mickis, Akademiker und taz-Redakteure, das sind die Fans von Alba und Basketball. Bei den Spielen sieht man neuerdings jede Menge Mütter, Väter und Großeltern in Begleitung ihrer Kleinen. „Seitdem wir einen Amerikaner im Team haben, kommen auch 14jährige Mädchen zu uns“, hat Jörg Burche, neuer Vorsitzender des Alba-Fanclubs beobachtet. „Vermutlich hoffen sie auf diese Weise an unsere Stars heranzukommen.“ Basketballer werden zu Popidolen. Kirsten Niemann