Ostgrüne gegen PDS-Bündnis

■ Ostberliner Bündnisgrüne halten Zusammenarbeit mit PDS wegen mangelnden Reformwillens für unrealistisch. Bündnis würde für die Partei zu Zerreißprobe führen

Selbst die Pragmatiker unter den Ostberliner Bündnisgrünen halten eine Zusammenarbeit mit der PDS auf Landesebene für vollkommen unrealistisch. Sie gehen dabei vor allem von den Erfahrungen aus, die sie in der kommunalpolitischen Zusammenarbeit mit der PDS gemacht haben. Und die lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen: Mit dieser Partei ist eine Reformpolitik kaum zu machen.

„Die jüngeren, reformorientierten PDS-Mitglieder sind in den Bezirken in der Minderheit“, stellt Lars Liepe vom Bündnis Friedrichshain fest. Durch die zunehmende Spaltung zwischen PDS- Reformern und Poststalinisten sei eine inhaltliche Zusammenarbeit der Grünen mit der PDS in Friedrichshain kaum noch möglich.

Auch wenn Bezirksverordnete von Bündnisgrünen und PDS in einigen Bezirksparlamenten häufig gemeinsam abstimmen, beruht dies allenfalls auf einer Übereinstimmung in Sachfragen. „Es gibt auf keinen Fall Absprachen“, betont Julia Witt vom Bündnis Prenzlauer Berg. Was schwerer wiegt: Ein Dialog über politische Gemeinsamkeiten ist bislang nicht zustande gekommen. „Man findet einfach keine Gesprächsebene“, stellt Mario Gartner aus Hohenschönhausen fest. Dort wird die PDS-Fraktion vom „Wirtschaftsflügel“ dominiert. „Wir wollen jetzt noch mal auf die PDS zugehen, um gemeinsam ein paar Sachen durchzusetzen. Sonst wäre diese Legislaturperiode vertan“, sagt Gartner. Auch Lars Liepe aus Friedrichshain stellt fest: „Wir würden gern mit der PDS zusammenarbeiten. Es ist schade, daß das Gestaltungspotential nicht genutzt wird.“

Das Widersprüchliche: Bei allem Pragmatismus, den die Bündnisgrünen in der kommunalpolitischen Zusammenarbeit an den Tag legen – für den Fall einer Zusammenarbeit auf Landesebene prophezeien sie ihrer Partei übereinstimmend eine Zerreißprobe. Dies würde die ohnehin schwachen Bezirksgruppen im Ostteil der Stadt nachhaltig schwächen. „Eine Menge Leute würde austreten“, schätzt Frank Bertermann, „und bei anderen Landesverbänden um politisches Asyl bitten.“ Doch Scherz beiseite. „Wenn ein Drittel der Bezirksgruppe abhaut, können wir den Laden dichtmachen“, fügt Bertermann hinzu. Die PDS-Debatte schade den Grünen im Osten, meint auch Marianne Birthler. „Ich kenne einige, die zumindest innerlich auf Distanz gegangen sind.“ Sie kritisiert, daß Westberliner Grüne die drohenden Parteiaustritte kaltschnäuzig in Kauf nehmen würden.

Marianne Birthler macht bei den Ostberliner Grünen drei Strömungen aus: die Pragmatiker, die eine Zusammenarbeit mit der PDS als einzige Alternative zur Großen Koalition ins Auge fassen; diejenigen, die „wegen ihrer geistigen Nähe zur PDS keinerlei Berührungsängste haben“, und die „Nie- und-nimmer-Fraktion“, die keineswegs nur aus Bürgerrechtlern bestehe. Diese Wahrnehmung sei eine „unzulässige Vergröberung“, so Birthler.

Sie hält die derzeitige, vor allem von Westberliner Bündnisgrünen losgetretene PDS-Debatte für „absolut überflüssig“. Die PDS sei „weder regierungsfähig noch regierungswillig“. Für Birthler gilt: Solange die PDS sich loyal zu Mauerschützen verhält und zu Menschenrechtsverletzungen in China schweigt, kann sie kein Bündnispartner sein. Bedenklich sei auch, daß die restaurativen Kräfte in der PDS durch die guten Wahlergebnisse wieder Oberwasser bekommen hätten.

Doch gibt es auch andere Stimmen: Mario Gartner aus Hohenschönhausen gehört zu den wenigen, die sogar eine Koalition mit der PDS auf Landesebene befürworten. Eine Tolerierung verschaffe der PDS die bequeme Position, sich bei unliebsamen Entscheidungen herauszuhalten, argumentiert er. Aber auch er ist skeptisch: Es sei abzuwarten, wer sich in der PDS durchsetze, die Reformer oder die Poststalinisten. Dorothee Winden