Shopper gegen Kinderarbeit

Konsumenten in Großbritannien mögen Kinderarbeit noch weniger als deutsche. Hier gibt es Initiativen, dort reagieren schon die Supermärkte  ■ Von Hugh Williamson

Verbraucher in Großbritannien und den USA, die für ihre Kinder Weihnachtsgeschenke kaufen wollen, gehen auf dem Weg in die Spielzeuggeschäfte ein gewisses Risiko ein. In beiden Ländern kommt es in der Vorweihnachtszeit zu Protestaktionen vor den Geschäften. In den USA stehen in einem Dutzend Staaten Demonstranten vor Disney-Läden. Das National Labor Committee mit Sitz in New York fand kürzlich heraus, daß Pullover mit Disney-Etikett in Burma hergestellt werden, in einer Fabrik, die zu 45 Prozent den dortigen Militärmachthabern gehört. Dort sind Wochenlöhne von 5,50 Mark üblich.

In Großbritannien bitten die Demonstranten die Kunden, dem Verkaufspersonal Flugblätter zu überreichen, auf denen die multinationalen Spielzeugproduzenten aufgefordert werden, dafür zu sorgen, daß ein kürzlich unterzeichneter Verhaltenskodex über die Arbeitsbedingungen in allen asiatischen Spielzeugfabriken auch wirklich eingehalten wird.

Die Kampagnen zielen auch auf das erste Ministertreffen der Welthandelsorganiation WTO, das ab Montag in Singapur stattfindet. Seit Monaten schwelt auf allen Vorbereitungstreffen der Konflikt um die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern. Die USA und die Europäische Kommission forderten von der Welthandelsorganisation eine Erklärung zu sogenannten „Arbeitsnormen“. So lange das Verbot der Kinderarbeit und die Zulassung freier Gewerkschaften nicht geregelt seien, sollten die Länder keinen vollständigen Zugang zum internationalen Handel erhalten.

Dagegen wehren sich zahlreiche Staaten des Südens unter Führung von Indien, Malaysia und Indonesien. In Singapur werden sich diese Länder vermutlich durchsetzen. Aber zahlreiche, gegen die multinationalen Firmen gerichtete Kampagnen dürften dafür sorgen, daß die Frage der Produktion westlicher Verbrauchsgüter in Entwicklungsländern auf der Tagesordnung der WTO bleibt.

Auch deutsche Firmen wie der Sportartikelriese Adidas und der Otto-Versand könnten den Druck zu spüren bekommen. In Großbritannien hat C&A in den letzten Monaten neue Verhaltensregeln für seine Kleidungslieferanten in Entwicklungsländern eingeführt. Ihnen zufolge darf kein Lieferant Kinder- oder Zwangsarbeit einsetzen, die Arbeitsbedingungen müssen den lokalen Normen entsprechen, Gesundheits- und Sicherheitsnormen müssen akzeptabel sein. Zwei der wichtigsten Supermarktketten, Sainsbury und co-op, haben mit der Erarbeitung ähnlicher Regeln begonnen.

Damit nicht genug: Die britische wie auch die kontinentaleuropäische Spielwarenindustrie haben für ihre asiatischen Lieferanten Verhaltensregeln eingeführt, und im November wurde in London bei einem Treffen des Weltverbands der Sportartikelhersteller – darunter auch Adidas und Puma – Neuland betreten und ein Verhaltenskodex in Aussicht gestellt.

Auslöser war im Juni ein Skandal um Kinderarbeit in Pakistan bei der Herstellung von Fußbällen als Werbeartikel für die Fußball- Europameisterschaft 96. Der öffentliche Druck zwang die multinationalen Firmen zum Handeln. Ähnliche Kampagnen in den USA haben auch Nike, Reebok, Gap und Levis zur Einführung von Verhaltensregeln bewogen.

Viele Aktivisten halten die neuen Regeln immer noch für einen Werbegag. Vor allem fehlt ihnen die unabhängige Überwachung. Das aber könnte sich ändern: im Kodex von C&A zumindest ist jetzt eine unabhängige Kontrolle vorgesehen. Und es gibt Hinweise, daß die Regeln sich auswirken. Im Oktober kam ein Bericht der US-Regierung zu dem Ergebnis, daß die von US-Einzelhändlern eingeführten Regeln „in bedeutendem Umfang“ dazu beigetragen hätten, den Einsatz von Kinderarbeit in Textilfabriken Mittelamerikas einzuschränken.

In Deutschland werden die Forderungen nach Verhaltensregeln noch nicht mit demselben Nachdruck vorgetragen wie Kampagnen für fairen Handel und für die Umwelt. Aber auch hier gibt es einige langfristige Initiativen: das Pestizid-Aktions-Werk in Hamburg übt seit 1984 Druck auf deutsche Firmen aus, keine Pestizide mehr zu exportieren, die Arbeiter in den Entwicklungsländern gesundheitlich schädigen können. Und kürzlich verpflichteten sich AgrEvo, die Pestizid-Tochter von Hoechst und Schering, den Einsatz ihres Giftes Thiodan in Treibhäusern in Ekuador und Kolumbien wegen der damit verbundenen Gesundheitsrisiken nicht mehr zuzulassen. Auch Rugmark, die Marke für indische Teppiche, die ohne Kinderarbeit hergestellt werden, ist ein Erfolg; 300.000 Teppiche wurden bereits importiert. Und der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre in Köln streitet seit 1986 mit Multis wie Bayer über Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken.

Die Zahl der Initiativen wächst. Die Kampagne für „saubere“ Kleidung, die von Gruppen wie der Christlichen Initiative Romero in Münster, Südwind in Siegburg und dem Nord-Süd-Netz des DGB getragen wird, hat eine sieben Punkte umfassende Charta für deutsche Textileinzelhändler vorgelegt und untersucht derzeit die Geschäftstätigkeit von C&A und Otto-Versand in Asien. Und Transfair in Köln, vor allem als Kaffeemarke für fairen Handel bekannt – ein Paket mit der Nummer 25.000.000 wurde kürzlich Bundespräsident Herzog überreicht –, wird laut Geschäftsführer Dieter Overath jetzt auch zu sozialen Themen aktiv. „Die Leute verbinden fairen Handel zunehmend mit Themen wie der Beendigung der Kinderarbeit und wie Firmen sich in Entwicklungsländern verhalten sollten. Das ist eine positive Entwicklung.“

Allerdings zeigen sich viele deutsche Firmen noch nicht sonderlich beeindruckt. Corinna Printzen vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie in Nürnberg erklärt, der Verband habe zwar in diesem Jahr einen Verhaltenskodex eingeführt, aber: „Wir werden die Produktionsbedingungen in Asien nur dann überprüfen, wenn wir Beschwerden erhalten. Bisher hat es keine gegeben.“

Adidas-Sprecher Peter Csanadi begrüßt zwar den Gedanken der Einführung von Verhaltensregeln für die Branche. Adidas habe aber in Asien keine eigenen Fabriken. Die Firma läßt von Subkontraktoren fertigen, die viele verschiedene Marken herstellen. Solche Fabriken haben wegen niedriger Löhne und schlechter Behandlung der Arbeiter international einen schlechten Ruf. Csanadi ficht das nicht an. „Wir sind eine verantwortungsbewußte Firma mit hohen Qualitätsansprüchen, die solche Kinderarbeitsprobleme nicht hat. Es ist nicht unser Job, über die Menschenrechte zu wachen.“