■ Soundcheck
: Gehört: John Cale

Gehört: John Cale. Es nimmt noch immer mit, John Cale zu hören. Aber heute ist Cale nicht mehr ein ehemaliges Kultbandmitglied, das sein Publikum mit allen Wassern der Avantgarde und der Rock-Kunst wäscht, sondern ein Pop-Weiser, der sein Wissen für sich behält. Am Freitag abend blieb der Pop-Weise während des Konzertes so entfernt wie Gottes Stellvertreter Wojtyla, der Kollege Bob Dylan oder der nach der Sage im Kyffhäuserberg auf seine Rücckehr wartende Kaiser Friedrich Barbarossa: Abgehobene Leute eben, von denen nur unter Umständen etwas wie ein Beitrag „zur Einschätzung der Lage“ erwartet werden kann, denen aber andererseits auch schon lange nichts mehr gelungen ist, das irgendjemand ernsthaft „einen wirklich idiotischen Einfall“ nennen dürfte.

John Cale hat viel hinter sich, mehr als du, ich und deine Abiturklasse sowie mehr als sich eigentlich ertragen läßt. Aber nach diesem Konzert kann man sich einen Pop-Weisen wohl doch als jemand vorstellen, der sich für das Alleinsein entschieden hat. Nicht als Pose und philosophische Konsequenz, sondern weil es für Cale nicht weitergeht und er nicht weiß, ob seine Arbeit eben doch alle erreicht hat, die seine Arbeit erreichen konnte. Vielleicht handelt ein Konzert von John Cale heute von der Unfähigkeit, die Grenzen eines Gesamtwerkes nicht nur zu erreichen, sondern auch anzuschauen. Dieses trügerische Gefühl, daß es immer noch mit Klarsicht zu tun hatte, wie Cale seine jüngsten Balladen vortrug, deutet auf einen Abschied in Phasen hin: Ein Pop-Weiser geht, geht in sich, kommt wieder und ist dann aber nicht mehr ganz da. Er steht für sich, bleibt für sich, und keiner wird müde, des Kaisers neue Lieder zu bewundern. Man schwärmt und staunt ins Blaue hinein und das ewig Calesche zieht uns hinan. Fraglich, ob man da hinterhergezogen werden will. Kristof Schreuf