Die Rituale des Advents oder: Wir warten nicht mehr

■ Unsere Weihnachtsbräuche (Teil 2): Die Erfindung des Adventskranz, auf dem einst 23 Kerzen brannten

Advent, das ist das Warten auf die Wiederkehr des Christus, war in der urchristlichen Gemeinde vollkommen unbekannt – sie warteten wirklich und immer.

Seitdem die Christen eigentlich nicht mehr warten, hat sich gegen Ende des ersten Jahrtausends das Ritual des Wartens entfaltet: Advent. Sechs Wochen waren das zunächst, beginnend am Martinstag, dem 11. November. Und „Advent“ war eine stille Zeit, die geprägt sein sollte von Fasten, Gebet und guten Werken – erst am 24. Dezember schloß sie mit einem bescheidenen Fisch-Essen. Papst Pius V verkündete 1507, daß es nur noch vier Adventssonntage gebe, nur in Mailand werden heute noch sechs Adventssonntage gefeiert.

Der Adventskranz als Kennzeichen dieser beschaulichen Wartezeit ist der jüngste der Weihnachtsbräuche. Regelrecht „erfunden“ hat diesen Brauch der Theologe Johann Hinrich Wichern: 1839 ließ der einen wagenradgroßen Holzkranz mit 23 Kerzen im Betsaal des „Rauhen Hauses“ in Hamburg aufhängen. Die Kerzen sollten den Jugendlichen das Warten auf die Ankunft des Lichts symbolisieren, jede Kerze stand für einen Tag, vier große für die Sonntage. Als sich der Brauch aus den Heimen der Diakonie in die (wöchentlich nur einmal geöffneten) Kirchen ausbreitete, reduzierten sich die Kerzen auf vier.

Mit dem Tannengrün (seit 1860), das germanische, immergrüne Symbol des Lebens im Winter, und allerhand Deutungen, die dem Kranz u.a. eine Sonnenrad-Symbolik unterlegten, verbreitete die nichtkirchliche bündische Jugendbewegung den „Adventskranz“ erst im frühen 19. Jahrhundert bis in den katholischen Süden, erst 1930 tauchte der erste Adventskranz in einer katholischen Kirche in München auf.

Das Fastengebot, das schon lange nicht mehr beachtet wurde, nahm Papst Pius XII in aller Form zurück – eine letzte kleine Verbeugung des Stellvertreters Gottes vor den profanen Feier-Bedürfnissen des Volkes. K.W.