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Ein Kapitalist, wie er im Buche steht

■ Der Fall Günter Tröster: Erst richtet er sein Unternehmen zugrunde, dann will er es für eine Mark der IG Metall andrehen

Günter Tröster meint der IG Metall dieses Jahr ein besonderes Nikolausgeschenk gemacht zu haben: Für eine Mark will er seine Firma TSK Tröster Systeme und Komponenten GmbH & Co KG in Ellerau am 6. Dezember an die Gewerkschaft verkauft haben. Ein recht einseitiges Geschäft, denn die IG Metall weiß von nichts.

Bekannt sind ihr allerdings andere haarsträubende Vorgänge in dem Unternehmen, das Tröster 1994 übernahm: Tarifliche Lohnerhöhungen wurden unterschlagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld gekürzt, Kindergeld nicht ausbezahlt, Sozialabgaben nicht abgeführt. Zudem wurden seit 1994 in dem Betrieb, der Innenausbauteile für VW, Opel und Audi herstellt, 1.000 von 1.200 Arbeitsplätzen abgebaut. Die IG Metall spricht von fast 900 Klagen, die derzeit gegen TSK vor dem Arbeitsgericht anhängig sind. Und nun wurde den verbliebenen 200 Mitarbeitern noch nicht einmal der Lohn für November ausgezahlt. Deshalb hatten Mitglieder des TSK-Betriebsrats, ein Gewerkschaftssekretär und Vertreter der Firmenleitung vom 2. bis zum 5. Dezember dieses Jahres über einen Haustarifvertrag verhandelt.

Die Firmenleitung legte ein Konzept vor, das der IG Metall wenig vernünftig schien, zumal es keine über den kommenden Januar hinausgehenden Produktionspläne beinhaltete. Ein Gewerkschaftssekretär soll angesichts dieses Vorschlags zu später Stunde in die Runde geworfen haben: Wenn es der Firma so schlecht geht, müßte man sie für eine Mark kaufen, und die Arbeitnehmer müßten mit einer dicken Stahlkugel am Bein weiterarbeiten. Als die Verhandlungen am nächsten Morgen, dem 6. Dezember, um 10 Uhr fortgesetzt werden sollten, erklärten die Vertreter der Unternehmensleitung, die Firma TSK gehöre nun der IG Metall.

Einigen „ehemaligen Mitarbeitern der TSK Ellerau“ verbietet nun die angeblich nicht mehr zuständige Firmenleitung den Zugang zum Werksgelände. Dem Betriebsrat wurde untersagt, das eigene Büro zu betreten. Gleichzeitig schrieb der Münchner Anwalt Joachim A. Griesel in Trösters Auftrag an die IG Metall: Da die Gewerkschaft nun im Besitz der TSK sei, habe sie auch deren Lieferverpflichtungen zu erfüllen und bei Produktionsausfall Schadenersatz zu leisten.

Die IG Metall prüft deshalb, ob sie gegen Tröster Strafanzeige erstatten wird, wegen Betrugs, Konkursverschleppung und Rufschädigung. Der Hamburger Anwalt Klaus Bertelsmann, der die IG Metall vertritt, vermutet bei Günter Tröster, der außer der TSK eine Modellbaufirma im Bayerischen Breitengüßbach betreibt, allerdings weniger arbeitsrechtliche, sondern gesundheitliche Probleme in Sachen Zurechnungsfähigkeit.

Julia Kossmann

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