„Diktatoren mögen keine Öffentlichkeit“

■ Amnesty international setzt sich für verhafteten indonesischen Studenten ein

Heute wird in Oslo der Friedensnobelpreis an Carlos Bela, Bischof von Ost-Timor, und den im Exil lebenden Ramos-Orta für ihren Einsatz im von Indonesien besetzten Ost-Timor verliehen. Gleichzeitig geht in Berlin eine Basisgruppe von amnesty-international-Aktivisten an die Öffentlichkeit. Zum internationalen Tag der Menschenrechte wollen sie mit einer Mahnwache auf dem Wittenbergplatz auf das Schicksal des 33jährigen Studenten Nuku Soleimann aufmerksam machen.

Im Februar 1994 wurde Soleimann zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach einer Berufungsverhandlung wurde die Haftzeit auf fünf Jahre erhöht. Soleimanns Vergehen: Er hatte Sticker verteilt, auf denen der indonesische Präsident Suharto als Drahtzieher eines tödlichen Massakers in der osttimorischen Hauptstadt Dili bezeichnet wurde.

Bei dem Massaker im November 1991 hatten indonesische Militärs in eine Versammlung Trauender geschossen. Aus der friedlichen Beisetzungszeremonie hatte sich eine Demonstration gegen die indonesischen Besatzer entwickelt. Mindestens 270 Menschen kamen ums Leben.

Das Gerichtsverfahren gegen Nuku Soleimann wurde von Menschenrechtlern als Farce bezeichnet. Die Öffentlichkeit sei praktisch ausgeschlossen gewesen, da die Besucherplätze von Beamten in Zivil blockiert gewesen seien. Die Richter vernahmen zwar 19 Zeugen der Anklage, die von Soleimanns Verteidigern benannten Zeugen wurden jedoch bis auf einen nicht gehört.

Seit einem Jahr engagiert sich die amnesty-Gruppe aus Berlin- Mitte für den indonesischen Menschenrechtler. „Hauptsächlich schreiben wir Briefe“, berichtet Elke Fischer von der amnesty- Gruppe: Solidaritätsschreiben an „Nuku“, wie die Basisgruppe „ihren“ politischen Gefangenen nennt – auch wenn fraglich ist, ob er sie wirklich bekommt.

Außerdem schickt die Gruppe Freilassungsappelle an indonesische Politiker. Man hofft, daß Soleimann so wenigstens das Schicksal vieler Oppositioneller erspart bleibt, die in Provinzgefängnisse verlegt werden und anschließend verschwinden.

Auch in Deutschland versuchen sich die Menschenrechtler für Soleimann einzusetzen. „Fast wäre es uns gelungen, ein Gespräch mit dem indonesischen Generalkonsul in Berlin zu bekommen“, berichtet Fischer. Einen kurzfristig zugesagten Termin ließ der Konsul aber noch kurzfristiger wieder platzen und erschien nicht. Besonders ärgerlich findet Fischer die Politik Helmut Kohls, den die Gruppe ebenfalls angeschrieben hatte. Fernsehbilder, die Kohl und Suharto bei einem Staatsbesuch im Oktober in Indonesien beim gemeinsamen Angeln zeigten, gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Elke Fischer ist es absolut unverständlich, wie ein deutscher Politiker „mit einem dermaßen menschenverachtenden Regime“ Wirtschaftsverträge in Milliardenhöhe abschließen kann.

Vor Soleimann engagierte sich die Gruppe für einen Mörder und Vergewaltiger, der in Rußland zum Tode verurteilt worden war. „Das gehört zu den Prinzipien von amnesty: Ganz egal welche Vorgeschichte ein Fall hat, wir setzen uns immer gegen Todesstrafe und Folter ein“, erklärt Fischer.

Die Basisgruppe will sich, wenn nötig auch über Jahre, weiter für Nuku Soleimann einsetzen. „Öffentlichkeit ist etwas, was Diktatoren nicht mögen“, weiß Fischer. „Und auch wenn Nuku nicht freikommt, ist doch gut zu wissen, daß des denen auf den Keks geht, wenn sie ständig Post bekommen.“ Gereon Asmuth

Weitere Infos: Elke Fischer, Kastanienallee 41, 10119 Berlin; Tel: 4488908