Keine Witze über Deutschland Von Mathias Bröckers

Das Fernsehen der Republik Albanien hat Witze über Deutschland und die USA verboten: „Eine entsprechende Verordnung des staatlichen Monopolsenders wurde am Samstag in Tirana veröffentlicht. Die Produzenten des Neujahrsprogramms wurden aufgefordert, ihre Beiträge entsprechend zu überarbeiten. Eine führende albanische Zeitung sprach von einer neuen Zensur, die an Zeiten des kommunistischen Regimes erinnere. Washington und Bonn gelten als die wichtigsten Fürsprecher des armen Balkanstaats.“ Soweit die Meldung der Deutschen Presseagentur vom Wochenende, die leider nicht weiter auf die Hintergründe eingeht, die zu diesem Akt von Humorzensur geführt haben.

In dem erwähnten Neujahrsprogramm muß es offenbar lustig zugehen, und wir können nur hoffen, daß die Redaktion des Fachblatts Titanic dank ihrer langjährigen deutsch-albanischen Humor-Beziehung hier demnächst Licht ins kuriose Dunkel bringt. Denn was die braven Zensoren dort derart erschreckt hat, daß man es den reichen Onkels aus dem Westen nicht einmal als Silvesterscherz zumuten kann, wäre hierzulande von allergrößtem Interesse. Hat man den „häßlichen Deutschen“ gepiesackt, die alten Nazi-Kisten auf dem Balkan aufgespießt oder nur die harmlose Frage beantwortet, warum Kohl stets eine leere Flasche im Kühlschrank hat („es könnte ja auch jemand kommen, der nichts trinken will“)?

Der schlechte Witz, Witze über Deutschland zu verbieten, verdient auch deshalb Erwähnung, weil er zuletzt 1933–1945 systematisch inszeniert wurde. Mit Gesetzen und Verordnungen gegen „Heimtücke“ und „Kitsch“ versuchten die Nazis der humoresken Erschütterungen an der Heimatfront Herr zu werden – Todesurteile wurden gesprochen, und noch 1945 standen auf die Bemerkung, daß der Mangel an Schlachttieren deshalb bestehe, „weil die Schafe arbeiten, die Ochsen an der Front und die Schweine in der Partei sind“, drei Wochen Gefängnis. Die bekam kurze Zeit später dann der als geheilt entlassene Humorsoldat Wolfgang Neuss in der britischen Zone, weil er einen ähnlichen Witz mit den Engländern als „Schweinen“ erzählt hatte. Weil er ihn im Repertoire behalten wollte, trat er danach erst mal nur in der amerikanischen Zone auf, wo Lachsalven gegen Britannien zumindest geduldet wurden. 1955 dann wird Neuss wegen Witzen über Adenauer, Neonazis und Militarismus zum ersten Zensurfall des deutschen Fernsehens: Während seines Live-Auftritts vor Bundestagsprominenz täuscht der Intendant des SFB eine „technische Störung“ vor.

Heute undenkbar, wobei sich fragt, ob dies an der gewachsenen Toleranz der Intendanten oder an der wuchernden Harmlosigkeit der TV-Komiker liegt. Witze über Deutschland muß hier niemand verbieten, sie werden erst gar nicht gemacht – wo mehr als zwei Teutonen versammelt sind, hört traditionell der Spaß auf und ist Selbstironie ein Fremdwort. Insofern sind die auf allen Kanälen auf Witz komm raus um Lacher kämpfenden Redaktionen dringend aufgefordert, auf der Stelle in Tirana vorstellig zu werden und diese ethnographische Rarität zu sichern. Denn diese Show muß Silvester laufen, im deutschen Fernsehen und unzensiert, versteht sich.