■ Der HIPO des Jahres 1996: „Django“ aus Rüsselsheim
: „Sind Sie hier der Deputy?“

Rüsselsheim (taz) – Sie nennen ihn „Django“. Sein Kugelschreiber sitzt so locker im selbstgefertigten kleinen Holster wie einst der Colt des gefürchteten Kopfgeldjägers. Doch der „Django“ von Rüsselsheim hinterläßt keine Leichen auf dem schmutzigen Pflaster der Opelstadt: nur monetär ausgeblutete Bürgerinnen und Bürger. „Django“ ist HIPO, ein kommunaler Hilfspolizist in blauer Uniform mit dem Wappen „Z“ für das mittelalterliche „Ruzilesheim“ auf dem Ärmel. Er ist der Hahn im Korb der Politessen. Und der real existierende Beweis für die Überlegenheit des Mannes auch in einer von Frauen beherrschten Welt.

Denn „Django“ hat bei der Jagd auf VerkehrssünderInnen nicht nur die Kolleginnen im Nacken. Auch seine Vorgesetzten sind Frauen: Oberbürgermeisterin Otti Geschka (CDU) und Bürgermeisterin Gabi Klug (Bündnis 90/Die Grünen). Und doch ist „Django“ der HIPO des Jahres geworden, der Mann (!) mit den meisten verteilten Strafmandaten auf dem persönlichen Konto – und damit der neue Haushaltssanierer der gebeutelten Kommune.

Während die Politessen noch im Café sitzen, ist er schon auf der Wildbahn. Schließlich wohnen in der Stadt 60.000 potentielle VerkehrsstraftäterInnen – vom Baby bis zum Greis. Ein Strafmandat am falsch geparkten Kinderwagen? Für „Django“ kein Problem. Im Schweinsgalopp hetzt er hinter bereits abfahrenden, kurzfristig falsch geparkten Kraftfahrzeugen her. Und holt sie immer ein. Kapriziös bedient er dann seinen Kleincomputer – damit die Zahlungsaufforderung binnen Wochenfrist dem Delinquenten auf dem Tisch liegt. Keine(r) entkommt ihm. Schon gar nicht die, denen es an Respekt mangelt. Dann hagelt es Strafmandate, auch ohne nachvollziehbare Verkehrsverstöße.

Ein höhnisches: „Gehen Sie doch zum Teufel, Herr Polizeipräsident!“ etwa kostet 30 Mark – wegen „Wenden vor einer Fußgängerzone“. Denn ein Reifen, so „Djangos“ Begründung, soll dabei das Kopfsteinpflaster der Fußgängerzone touchiert haben. Auch das Abwinken nach ausgestelltem Strafzettel für falsches Parken (30 Mark) wird umgehend geahndet: mit 30 Mark extra – wegen „Verschmutzung öffentlicher Straßen“. Der Delinquent hatte nicht damit gerechnet, daß ihn der korpulente HIPO auch noch durch die Stadtunterführung verfolgen würde – um gerade noch zu sehen, wie der zerknüllte Strafzettel aus dem Autofenster auf die Fahrbahn flog.

Verkehrsverstöße ahnden kann schließlich jede (Politesse). Verkehrsverstöße erfinden oder vorausahnen kann nur „Django“. „Bürgernähe“ hatten Otti und Gabi bei Amtsantritt versprochen. Und keiner ist näher am Bürger als unser HIPO. Er ist schon da, wenn eine(r) falsch einparken will. Er weiß im voraus, wann ein Bürger bei Rot den Fußweg quert. Und entzückt ist er, wenn ihm eine(r) dumm kommt: „Sind Sie hier der Deputy?“ Extraprämie (30 Mark) – wegen Beamtenbeleidigung. Wer weiß schon, daß der HIPO kein Beamter ist, sondern Angestellter der Stadt? Nur der HIPO selbst.

Manchmal aber läßt er auch Gnade vor Recht ergehen: Wenn jemand aufrichtig bereut und um Milde fleht. Dann läßt er (manchmal) den blauen Kugelschreiber im Holster stecken, ermahnt mit erhobenem Zeigefinger und warnt vor Wiederholung. Das macht ihn so menschlich. Und Otti und Gabi lieben ihn auch dafür – und nicht nur für die Geldeintreiberei. Glückliches Rüsselsheim – armes London. Denn was ist schon eine Lovely Rita gegen eine deutsche Respektsperson in Uniform? Absolutely nothing. „HIP, HIP, HIPO forever!“ Klaus-Peter Klingelschmitt