■ Südafrika: Mandela unterzeichnet die neue Verfassung
: Das Ende des Regenbogens

„Eine Verfassung am Ende des Regenbogens“ – mit diesem doppelten Wortspiel feierte eine der größten Zeitungen Südafrikas das Urteil des Verfassungsgerichts, das Ende letzter Woche die erste demokratische Verfassung des Landes in seiner 350jährigen Geschichte endgültig absegnete. In einer englischen Redewendung steht am Ende des Regenbogens ein Topf voller Gold – allein, man erreicht ihn nur im Märchen. Für viele ist der friedliche Wandel der „Regenbogennation“ immer noch ein Märchen. Nach sechs Jahren zäher Verhandlungen hat er nun zu diesem „Stück Geschichte“ geführt, wie Nelson Mandela es nannte. Jenseits allen Pathos kann sich die neue Verfassung, die Präsident Mandela heute unterzeichnen wird, im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Ihr vorangestellt ist ein umfangreicher Grundrechtekatalog, der viel weiter geht als etwa das deutsche Grundgesetz und erstmals gleiche Rechte für alle sichert, unabhängig von ihrer Hautfarbe und ihrem Geschlecht.

Das Ende des Regenbogens ist damit jedoch noch lange nicht erreicht – im Gegenteil. Bis in kleinste Formulierungen ist dem Stück Geschichte seine Geschichte anzusehen, der historische Kompromiß zwischen neuen und alten Machthabern; Einzelheiten, die man leicht hätte der Gesetzgebung überlassen können, wurden mit viel Gezänk in der Verfassung verankert. Was davon brauchbar ist, wird sich erweisen. Noch schwerer wiegt, daß Verfassung und Verfassungswirklichkeit oft weit auseinanderklaffen.

Ein Beispiel muß hier genügen. Menschenrechte, jetzt als hohes Gut garantiert, werden in der neuen Demokratie eher großzügig behandelt, denn die Gewaltbereitschaft in allen Teilen der Gesellschaft ist nach wie vor hoch. Die allgemein seit der Wende drastisch zunehmenden Gewaltverbrechen führen Grundrechte wie die auf individuelle Freiheit, Eigentum und Unversehrtheit der Person täglich ad absurdum. Kaum ein Mädchen in den Townships wird erwachsen, ohne vergewaltigt worden zu sein. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts per Verfassung zu verbieten, ist angesichts dessen bestenfalls gut gemeint.

Am Ende des Regenbogens könnte einmal ein Topf voller Gold stehen: eine (Regenbogen-)Gesellschaft, die die Normen ihrer eigenen Verfassung anerkennt. Leider nur ein Märchen? Kordula Doerfler