Neues Essen wird von der EU verordnet

■ Greenpeace und BUND nach Analyse des Kompromisses: „Augenwischerei“

Berlin (taz) – Nur ein kleiner Teil der Gentech-Lebensmittel wird für die VerbaucherInnen kenntlich gemacht werden. Zu dieser Auffassung kommen Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Sie haben den Ende November von Ministerrat und Parlament der Europäischen Union (EU) ausgearbeiteten Kompromißvorschlag zur Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln im Rahmen der „Novel-Food-Verordnung“ analysiert. Ihr Ergebnis: „Augenwischerei“, so die beiden Organisationen gestern auf einer Pressekonferenz in Hamburg.

„Novel Food“ sind all die netten Entwicklungen aus den Labors der internationalen Essendesigner. Ein Teil dieser Errungenschaften sind gentechnisch veränderte Lebensmittel oder Zusatzstoffe. Die betreffende Verordnung muß noch einmal durch Parlament und EU-Kommission, die Absegnung ist aber nach Einschätzung von diversen Beobachtern nur noch Formsache. Damit tritt sie bis Mitte nächsten Jahres in Kraft. Schärfere Vorschriften zur Kennzeichnung in einzelnen Ländern – wie zum Beispiel für die Gen-Sojabohne in Dänemark – sind dann untersagt.

Die Formulierungen in der Novel-Food-Verordnung sind keineswegs präzise. Selbst Klaus-Dieter Jany, bei der Bundesanstalt für Ernährung in Karlsruhe für die Überwachung der Kennzeichnung zuständig, konnte gestern in Hamburg viele Fragen nicht beantworten. Zum Beispiel die Matschtomate, die durch ein verändertes Erbgut später fault als bisher gezüchtete Exemplare: Kommt sie ganz in den Handel, ist sie „lebensfähig“ und damit kennzeichnungspflichtig. Wird sie püriert oder zu Ketchup verarbeitet, ist sie nicht mehr lebensfähig im Sinne der Verordnung und damit wahrscheinlich nicht zu markieren – obwohl das Mus die gleichen Stoffe enthält wie ganze Tomaten.

Markiert wird ein Lebensmittel auch nur, wenn es einen Stoff enthält, der traditionell nicht vorkommt und die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Allergiker beeinflussen könnte. Dabei muß nachgewiesen werden, daß eine Gefahr besteht. Diese Beweislastumkehr dürfte für den Verbraucherschutz eine wesentliche Hürde darstellen.

Laut Greenpeace und BUND ist auch keineswegs geregelt, was „Kennzeichnung“ eigentlich bedeutet. Diese erfolgt auf Vorschlag des Herstellers. Wortschöpfungen wie „umweltschonend modifizierte Inhaltsstoffe“ bis „mit moderner Biotechnologie ernährungsphysiologisch optimiert“ könnten damit in Zukunft den KäuferInnen entgegenprangen. Reiner Metzger