An wen erinnert ein Homodenkmal?

Ein geplantes Mahnmal für homosexuelle NS-Opfer in der Hauptstadt bringt Schwule und Lesben gegeneinander auf. Gestritten wird darüber, wen die Nazis stärker verfolgt haben  ■ Aus Berlin Jan Feddersen

Zwist blieb am Ende keiner mehr übrig. Schwule und Lesben hatten sich darauf verständigt, künftig gemeinsame Sache zu machen. Von nun an wird geplant – so beschlossen am Wochenende auf dem Symposium „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ in Berlin. Fortan steht auf der homosexuellen Agenda nichts geringeres, als „mitten im Zentrum der ,Berliner Republik‘“, wie der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck formulierte, mit einem würdigen Mahnmal an die homosexuellen Opfer während des Nationalsozialismus zu erinnern.

In welcher Form dies geschehen könnte, blieb am Ende offen. Gefragt ist jetzt, so Albert Eckert, Mitarbeiter der Initiative Homomonument, ein streitbarer Wettbewerb um Ideen und Konzepte.

Aber hatten sich deswegen alle Beteiligten liebgewonnen? Die Tagung in der „Gedenkstätte des deutschen Widerstands“ mußte zunächst verkraften, daß der Historiker Joachim Müller seine Teilnahme absagte. Ihm behagte schon der Titel nicht: Mitnichten seien schwule Männer und lesbische Frauen in gleicher Weise unter dem Nationalsozialismus verfolgt worden. Wenn nun ein solches Monument das Schicksal lesbischer Frauen dem schwuler Männer gleichstelle, sei dies ein Akt politischer Korrektheit – dem er sich nicht anpassen will: „Mythen dürfen bei einer geschichtlichen Aufarbeitung keine Rolle spielen.“ Müller, der seit 1984 zum Thema „Schwulenhatz unter dem NS-Regime“ arbeitet und unter anderem die Akten des KZ Sachsenhausen auf Spuren von Rosa-Winkel-Opfern durchgesehen hat, berührt in der Tat einen heiklen Punkt: Schwule galten unter den männerkultischen Nationalsozialisten als „bevölkerungspolitische Blindgänger“, die für die Volkszeugung ausfielen; Lesben hingegen wurden vom Gesetz nicht verfolgt. Als Österreich 1938 dem Deutschen Reich angeschlossen wurde, wurde der antilesbische Paragraph, der in der Alpenrepublik noch gültig war, getilgt. Und der Paragraph 175, der 1935 Homosexualität schlechthin verbot, traf nur homosexuelle Männer.

Einig war man sich schließlich darin, daß Müllers Kritik „ein Gran Wahrheit“ (Volker Beck) enthält – doch politisch eher an den damaligen Verhältnissen vorbeigeht. Claudia Schoppmann, deren Dissertation „Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität“ die erste Arbeit ist, die systematisch versucht, das Schicksal lesbischer Frauen unter dem Hakenkreuz zu erhellen, wies darauf hin, daß Lesben nicht ausdrücklich durch staatliche Terrorprogramme verfolgt wurden: „Aber es zählt doch, daß die Nazis erstens weibliche Sexualität überhaupt für minder hielten, und zweitens die lesbische Infrastruktur 1933 zerstört wurde.“

So wird nun gemeinsam weitergedacht: Das Monument soll in erster Linie die Totalität des Verdikts gegen Homosexualität würdigen. Albert Eckert will die kleinlichen Kalamitäten schnell vergessen. Dennoch: „Die Unterschiedlichkeit in der Verfolgung wird sich in diesem Mahnmal wiederspiegeln müssen.“

Hilde Schramm, die einst als grüne Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus eine spezielle Berliner Gesetzeskorrektur bei der NS-Opferentschädigung gerade für die „verschwiegenen Opfer“ durchsetzte, fand diesen vorläufigen Diskussionsfrieden angemessen: „Jede Verfolgtengruppe hat ihre eigene Geschichte zu erzählen.“

Lea Rosh, Kämpferin für die Erinnerungsstätte an den Holocaust, sagte klar: „Das deutsche Volk – das war ja auch verantwortlich für die Verfolgung der Homosexuellen.“ Volker Beck schließlich machte auf eine Pikanterie aufmerksam, die dem Gelingen eines Homomonuments im Wege steht: Nach wie vor bestreitet die Bundesregierung, daß die NS-Verfolgung Homosexueller spezifisch nationalsozialistisch war – durchaus im Einklang mit einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1956. Deshalb wird Rosa-Winkel-Häftlingen Entschädigung für KZ-Haftstrafen verweigert. Ein Mahnmal mitten in der Hauptstadt, sichtbar für Staatsgäste aus Ländern mit antihomosexueller Gesetzgebung: „Deutschland muß der Welt zeigen, daß hier mit der Tradition der Homoverfolgung gebrochen wurde.“

Mit dieser Sicht mochte sich auch Gad Beck, Jude und schwuler Mann aus Berlin sowie Autor des Buches „Und David ging zu Goliath“, anfreunden: „Die Diskussion muß jetzt weitergehen. Wer sind wir überhaupt?“