„Man bekommt das Geld, behält aber die kommunale Hoheit“

■ Der SPD-Umweltpolitiker Hermann Scheer plädiert für eine breite Streuung: durch die Ausgabe von Volksaktien

taz: Der Berliner Senat will 50,8 Prozent der Anteile am Energieversorger Bewag verkaufen. Sie plädieren für die Volksaktie. Wie sieht Ihr Modell aus?

Hermann Scheer: Nach dem Grundgedanken der Volksaktie muß eine Konzentration der Aktien in einer Hand vermieden werden. Eine Majorisierung durch stille Aufkäufe muß ebenfalls verhindert werden. Die vernünftige Alternative wäre eine breite Streuung der Bewag-Aktie. Sie allein macht es möglich, daß das Unternehmen in Berliner Hand bleibt.

Dann trommelt Manfred Krug nach Abwicklung der Telekom- Transaktion künftig für die Bewag-Volksaktie?

Das würde der viel lieber tun und womöglich sogar umsonst. Aber es gibt einen großen qualitativen Unterschied. Die Telekom ist ein überregionales Unternehmen der Telekommunikation. Die Bewag ist ein kommunaler Energiebetrieb. Da ist eine ganz andere Identifikation mit dem Unternehmen möglich und notwendig.

Was erhoffen Sie sich von der Volksaktie?

Der Verkauf von kommunalen Energieversorgern hat in den letzten Jahren verstärkt begonnen. Und jedesmal wurde an große Verbundunternehmen verkauft. Das ist höchst bedenklich, denn es fördert die Monopolisierung. Und es zerstört die großen kommunalen Spielräume für eine ökologische Energiereform. Die großen Energiekonzerne sind nun mal der Bremsklotz für ökologische Reformen. Die kommunalen Energieversorger haben eine großartige wirtschaftliche Zukunft mit einer Orientierung auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Wenn man diese Zukunft wegwirft, um in Notsituationen Haushaltslöcher zu stopfen, dann ist das ein ökonomischer Schildbürgerstreich.

Glauben Sie, daß der Berliner Volksaktionär das ökologische Umsteuern beschleunigen wird?

Der Verkauf über Volksaktien könnte tatsächlich eine Situation schaffen, die besser ist als der Status quo. Gegenwärtig ist die Bewag zwar ein Berliner Unternehmen, aber im Aufsichtsrat sitzen größtenteils ortsfremde Figuren aus der Energiewirtschaft, die das Unternehmen in sehr konventioneller und veralteter Manier führen.

Berlin hat zumindest auf dem Papier ein ehrgeiziges und fortschrittliches Energiekonzept verabschiedet.

Gerade deshalb muß die Bewag in gute Hände kommen. Die Bevölkerung ist dann um so mehr bereit, eine ökologische Energiereform mitzuverantworten. Ich bin sicher, daß sich die Vertreter der Volksaktionäre ökologisch innovativer und verantwortlicher zeigen als die heutigen Aufsichtsräte.

Gibt es denn realistische Hoffnungen, daß ein Modell Volksaktie auch wirklich umgesetzt werden kann? Wie steht Ihre Partei, die SPD, wie stehen die Berliner Sozialdemokraten zu diesem Vorschlag?

Ich habe diesen Vorschlag schon vor einigen Monaten gemacht und habe spontane Zustimmung bekommen. Der Verkauf der Bewag erfolgt ja mit schlechtem Gewissen aus einer finanziellen Notlage heraus. Bei meinem Modell bekommt man das Geld, behält aber die kommunale Hoheit. Deshalb hätte man für diesen Vorschlag auch in der Bevölkerung sicher eine breite Rückendeckung, wenn man ihn offensiv vertritt.

Aber die Berliner SPD ist sehr reserviert.

Ich bin nicht Mitglied der Berliner SPD. Bisher hat aber jeder Sozialdemokrat, dem ich das erklärt habe, zugestimmt. Ich ermuntere die Berliner SPD ausdrücklich, für diese Idee zu kämpfen.

Nachteil Ihres Vorschlags ist der Preis. Bei einem Verkauf an einen Großkonzern bekäme der Senat einen strategischen Preis, der vermutlich um eine halbe Milliarde über dem reinen Aktienpreis liegen würde.

Bisher sind das alles Luftschlösser. Wieviel tatsächlich bezahlt wird, weiß niemand. Für einen strategischen Preis gibt es natürlich einen guten Grund. Die mittel- und langfristigen Chancen, mit der Übernahme des Berliner Stromnetzes sehr viel Geld zu verdienen, sind groß. Mit der künftigen Trennung von Produktion und Transport von Energie wird das Netz noch lukrativer. Um so wichtiger wäre es, dieses Netz nicht in die Hände eines großen Monopolisten zu legen. Sonst beraubt man sich eines energie- und kommunalpolitischen Faktors von großer strategischer Bedeutung. Die Bewag muß in Berliner Hand bleiben. Interview: Manfred Kriener