Stromriesen elektrisiert

■ Mit der Berliner Bewag steht erstmals ein großes deutsches Energieunternehmen zum Verkauf an. Energiemonopolisten stehen Schlange. Sollte aber ein ausländischer Investor den Zuschlag erhalten, ist das Monopol der

Mit der Berliner Bewag steht erstmals ein großes deutsches Energieunternehmen zum Verkauf an. Energiemonopolisten stehen Schlange. Sollte aber ein ausländischer Investor den Zuschlag erhalten, ist das Monopol der deutschen Stromer gefährdet

Stromriesen elektrisiert

Es ist der größte Brocken, der auf dem deutschen Strommarkt je zu haben war. Der geplante Verkauf der landeseigenen Aktien an der „Berliner Kraft- und Licht-Aktiengesellschaft“ (Bewag) hat den deutschen und internationalen Strommarkt elektrisiert. Seit die Verkaufspläne vor einem Jahr bekannt wurden, findet hinter den Kulissen ein Tauziehen um Milliarden und um den Einfluß auf die deutsche Energiewirtschaft statt. Denn nicht nur steht mit der Bewag zum ersten Mal einer der wirklich großen Stromerzeuger zum Verkauf. Ebenfalls erstmals bietet sich die Gelegenheit, mit dem Zuschlag an einen ausländischen Investor das Monopol der deutschen Stromgiganten zu brechen.

Geboren ist der Plan zum Verkauf der Bewag aus der Finanznot des Landes Berlin: Nach einer Planung von 1995 sollten zur Stopfung der Haushaltslöcher nur 25,8 Prozent der Anteile verkauft werden. Im Herbst 1996 brachte die SPD- Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing den Totalverkauf ins Gespräch: 50,8 Prozent, abzugeben für gut 3 Milliarden Mark und am liebsten „als Paketlösung“ – also an einen einzigen Erwerber.

Seitdem stehen die Riesen der nationalen und internationalen Stromwirtschaft in Berlin Schlange. 28 Bewerber haben nach Auskunft der Finanzverwaltung ein Angebot abgegeben: neben den deutschen Stromkonzernen auch Interessenten aus dem europäischen Ausland und aus Übersee. Über die Verhandlungen, die die Unternehmensberater der Londoner „Barclay's Bank“ im Auftrag des Senats führen, ist striktes Stillschweigen vereinbart. Jede Information über Anbieter oder Angebote, so die Finanzverwaltung, könnte den Preis für das Aktienpaket nach unten drücken.

Bisher nämlich herrschte auf dem deutschen Energiemarkt Friedhofsruhe: Ein Gesetz aus dem Jahre 1938 garantiert den deutschen Stromgiganten wie RWE, PreussenElektra und Bayernwerk ihre regionalen Monopole und damit praktisch eine Lizenz zum Gelddrucken. Die großen Drei haben nach Angaben von Lutz Mez von der Forschungsstelle Umweltpolitik der Freien Universität Berlin insgesamt 80 Milliarden Mark für den Fall zur Seite gelegt, daß ihre Monopole bedroht sind.

Dieser Fall tritt nun ein. Denn mit der Bewag steht nach den großen Drei sowie VEW und Veag der nach Jahresumsatz sechstgrößte deutsche Stromkonzern zum Verkauf. Und das deutsche Monopol wankt: Die Liberalisierung des europäischen Strommarktes wird ausländischen Konzernen auch in Deutschland das Recht geben, eigene Kunden zu beliefern. Noch vor der endgültigen Entscheidung über das Wie der Liberalisierung ist die Bewag nun ein Testfall für die deutschen Stromer: Werden sie es schaffen, die ausländische Konkurrenz aus dem Land herauszuhalten, oder müssen sie zulassen, daß ein ausländischer Stromkonzern in Berlin einen Fuß auf den Boden bekommt.

In dieser Konstellation wittern Umweltschützer die letzte Chance für einen ökologisch vertretbaren Deal, wenn sich der Verkauf denn nicht vermeiden läßt: Nachdem alle alternativen Vorschläge zum Verkauf des Stromunternehmens nicht ernsthaft verfolgt worden sind, entstand in der von Umweltsenator Peter Strieder (SPD) geführten Umweltverwaltung der Plan, die Finanznot zur energiepolitischen Tugend zu machen: Ausverkauf an einen Ausländer, der in Berlin mit Erfahrung in innovativer Energiepolitik die deutschen Strommonopole das Fürchten lehrt.

Nach Informationen der Wirtschaftswoche haben unter anderem die britischen Energieriesen Powergen und National Power sowie die US-Konzerne Enron, South Elecricity und Mission Energy der Finanzverwaltung Angebote vorgelegt, die deutlich über denen der westdeutschen Konzerne liegen. Die Wunschkonstellation des Energieexperten Mez ist denn auch der Einstieg etwa eines US-Stromkonzerns als Kapitalgeber, gekoppelt mit der Erfahrung eines skandinavischen Energieunternehmens bei alternativen Energien und Stromeinsparungen. Die deutschen Stromgiganten dagegen suchen vor allem Abnehmer für ihre gewaltigen Überkapazitäten und sind an Energieeinsparungen und nachhaltiger Klimapolitik kaum interessiert.

Deshalb protestieren Umweltschützer und Energiepolitiker wie der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in Berlin, Hartwig Berger, seit einem Jahr gegen einen „Ausverkauf des Berliner Tafelsilbers“. Beim Verkauf an die deutschen Stromkonzerne wäre die Berliner Klimapolitik hinfällig, warnt auch Christian Matthes vom Öko-Institut Berlin. Denn bei der Bewag stünden in den nächsten 15 Jahren umfangreiche Modernisierungen von Kraftwerken an. „Wenn man sieht, daß die Stromkonzerne im Umland riesige Überkapazitäten aus ihren Braunkohlekraftwerken haben, dann könnte sich die Bewag unter dem Einfluß der deutschen Stromer dazu entschließen, diesen billigen Strom zu kaufen, statt selbst in umweltfreundliche Energieanlagen zu investieren.“ Das ehrgeizige Klimaschutzziel der Hauptstadt, bis zum Jahr 2010 den Ausstoß von Kohlendioxid um 25 Prozent zu reduzieren, geriete in Gefahr. Der Einstieg in die Solarenergie, gegen den die Bewag sich seit Jahren sträubt, würde mit deutschen Stromgiganten als Mehrheitseigner des Unternehmens vollends zur Illusion.

Auch das Bundeskartellamt runzelt beim Verkauf an die deutschen Stromer die Stirn; die nämlich sitzen bereits im Boot. Sie halten in Gestalt der Veba-Tochter „PreussenElektra“ (Preag) und der Viag-Tochter „Bayernwerk“ jeweils 10 Prozent des Bewag-Kapitals mit jeweils 14 Prozent der Stimmanteile. Das Kartellamt hat bereits signalisiert, daß es einer weiteren Beteiligung der Preag, die im Berliner Umland die Stromerzeuger besitzt, nicht zustimmen und eine Beteiligung des „Bayernwerks“ zumindest überprüfen würde. Alte Vorkaufsrechte auf die Bewag-Aktien hat auf Drängen Berlins zumindest die Preag bereits wieder zurückgegeben.

Über die Schachzüge der Finanzverwaltung und der Bewag sind die deutschen Stromkonzerne allerdings durch die bisher in der deutschen Stromwirtschaft übliche Dominanz der Riesen bestens informiert. Der Vorstandsvorsitzende der Preag, Hans-Dieter Harig, ist gleichzeitig Vorsitzender des Bewag-Aufsichtsrats. Bernhard Pötter, Berlin