Das Risiko- Kapital

■ Lohnfortzahlung: Die Unternehmer geben nach

Sie waren einander fast immer sicher gewesen, die Arbeitgeberverbände und die liberal-christdemokratische Koalition. Seit Beginn der Ära Kohl waren Regierung und Unternehmer füreinander berechenbar.

Damit geht es jetzt zu Ende. Die Arbeitgeber stellen kein verläßliches Lager mehr dar. Soeben noch war die Kürzung der Lohnfortzahlung zur Existenzfrage für den Standort hochgetrieben worden – nun ist sie nur noch eine Spielmarke im Tarifkonflikt. Soeben noch mußte sich die Regierung dafür weit aus dem Fenster lehnen, die CDU trudelte in einen Konflikt mit sich selbst – nun knicken gerade hier die Metallarbeitgeber zuerst ein. Schade, es ging halt nicht anders.

Da mag Klaus Murmann, der Arbeitgeberpräsident, der Disziplinlosigkeit im Laden hinterherknurrren. Und Werner Stumpfe, der Chef von Gesamtmetall, mag zur Beruhigung der eigenen Leute fordern, die Streikmacht der Gewerkschaften müßte eingeschränkt werden. Das ändert nichts daran, daß die Unternehmerverbände, stabile Säulen im korporatistischen System Deutschland, immer unzuverlässiger werden und ihre gemeinsame Orientierung verlieren. So jagen sie die Regierung in Konflikte, deren Reichweite sie selber nicht einschätzen können, und fallen bei der nächsten Gelegenheit um.

So wird nicht nur – gegen die Interessen der Arbeitgeber selber – die Kohl- Regierung verschlissen und ihre Glaubwürdigkeit abgewetzt. Es wird auch die Ordnung des Lohnkonflikts, die Tarifautonomie, zersetzt, ohne daß die Unternehmer davon profitieren. Was die Verbände immer häufiger exerzieren, ist wahrlich kein unternehmerisches Handeln mehr.

Noch vor kurzem mußte man sich um die Gewerkschaften sorgen. Könnten sie, bei anhaltendem Mitgliederschwund und zunehmender Interessenspaltung ihrer Klientel, auch weiterhin ihre Rolle spielen? Nun sind es die Arbeitgeber, die allmählich zum Risikofaktor für den rheinischen Kapitalismus werden. Sie tun alles, um sich die ohnehin labile Regierung zu entfremden, auf die sie doch angewiesen sind, wenn der Sozialstaat zu ihren Gunsten umgebaut werden soll. Und so wird schließlich die CDU reifgeschossen für die schwarz- rote Koalition, die sie doch fürchten. Einstweilen noch. Claus Koch