Lachendes Erbe mit riesiger Sauerei

■ Das Sammler-Ehepaar Scharpff leiht seine amerikanische Gegenwartskunst der Kunsthalle

Das kann kein seriöser Controller sein, wenn der eine bemalte Leinwand mit Schlitz kauft, dachten in den sechziger Jahren seine Kollegen im Aufsichtsrat über den Kunstsammler Rudolf Scharpff. Aber inzwischen sammeln er und seine Frau Ute seit 36 Jahren Kunst, und Banken und Industrie haben sich längst selbst Gegenwartskunst zugelegt. Umgekehrt machen manche der gesammelten Werke der zweiten amerikanischen Pop-Kunst, wie die Filmplakate, mit denen Jeff Koons den aktuellen Stand der Kultur affirmativ unterläuft, einen etwas industriellen Eindruck. Neben einem in Oberammergau geschnitzten Holzblumenstrauß besetzten er und seine Ex-Ehefrau, Ex-Pornostar und Ex-Parlamentarierin Ilona „Cicciolina“ Staller, trivial und bildmächtig einen Raum im zweiten Stock der neuen Kunsthallenerweiterung.

Dort wurde gestern der Presse ein weiterer Baustein der zukünftigen Ausstellung in der Galerie der Gegenwart vorgestellt. Insgesamt fünf Räume sind zehn us-amerikanischen Künstler-Stars der letzten zehn Jahre eingeräumt, alles Material stammt aus der Sammlung Scharpff und wurde der Kunsthalle für zehn Jahre überlassen. Die meisten der neuen Werke arbeiten mit dem Bruch zwischen alltäglicher Oberfläche und hintergründigen Greueln: Die freundliche Tapete in Robert Gobers Künstlerraum entpuppt sich als ein Rapport aus schlafenden Weißen und gelynchten Farbigen. Mike Kelley bearbeitet mit Stofftieren und Kissen die gar nicht so niedlichen Körperentdeckungen der Kinderwelt. Und auf dem Bild „Beautine“ von Mal-Star Julian Schnabel vollzieht sich eine Materialschlacht, die selbst Kunsthallenmitarbeiter augenzwinkernd „eine riesige Sauerei“ nennen.

Das Stuttgarter Sammlerehepaar kennt den Kunsthallendirektor Uwe M. Schneede schon aus den siebziger Jahren, als er für den Würtembergischen Kunstverein eine Ausstellung über Privatsammler ausrichtete. Der neuerliche Kontakt, der ein Drittel der Stuttgarter Sammlung nach Hamburg brachte, hat aber eine andere Vorgeschichte. Die durchaus nicht armen amerikanischen Künstlerprofis verkaufen strategisch besonders gern an Sammler, die ihnen zumindest langfristig eine Museumsplazierung versprechen. Doch ein eigenes Museum haben die Scharpffs nie gewollt: „Kleine Museen für moderne Kunst funktionieren nicht, so etwas muß im Dialog mit einem größeren Kontext stehen. Da kann es dann das Salz in der Suppe sein“, sagt Rudolf Scharpff.

Ihr Sammelziel war das unter der Stuttgarter Staatsgalerie geplante Museum für Gegenwartskunst. Da diese Pläne aber zu den Akten gelegt wurden, ist Hamburg ab Februar, wenn der Ungers-Bau eröffnet wird, der lachende Erbe.

Hajo Schiff