Nordwolle 2000: In Zukunft Heimarbeit

■ Im Delmenhorster Städtebau-Projekt soll Wohnen und Arbeit verbunden werden

Nicht vormoderne Handarbeit, sondern postmoderne Telearbeit fesselt den Arbeiter der Zukunft ans Heim. Einen ganzen Stadtteil möchte die Stadt Delmenhorst zusammen mit der Steucon AG für diese Zielgruppe sowie für alte Menschen bauen. Auf dem Nordwolle Gelände, dessen Eignerin zu 77 Prozent die Projektmanagement-Gesellschaft Steucon und zu 23 Prozent die Stadt ist, sollen bis zur Expo 2000 zumindest einige Musterhäuser fertiggestellt sein.

Im Eigenheim der Zukunft werden am Telearbeitsplatz alle Dienstleistungen am heimischen PC erledigt. Diese Tätigkeit macht den Arbeiter 2000 jedoch nicht, wie von Kritikern der Virtualität befürchtet, zum stumpfen, sozial isolierten Bildschirmhocker, der nach Erledigung der Arbeit alles per Datenautobahn zum Auftraggeber sendet und statt des Händedrucks eine digitale Rückmeldung bekommt. Durch eine Kombination von offenem Wohnen und Arbeiten soll gesellschaftliche Isolation verhindert werden.

Für den Architekten Thomas Plagel aus Hilden, Gewinner des mit 150.000 Mark dotierten 1. Preises des internationalen Wettbewerbs „Arbeiten und Wohnen an der Datenbahn“, steht Teilnahme am Leben der Wohn- und Arbeitswelt obenan. In Plagels Modell grenzen alle Arbeitsräume an Hof und Garten, so daß fachlicher Austausch und menschlicher Kontakt ermöglicht wird.

Der Tele-Heimarbeiter ist nach den Vorstellungen der PlanerInnen der Wunsch-Einwohner der Nordwolle im Jahre 2000. Finden sich jedoch nicht genügend Dienstleistende, die sich für ein solches Wohnprojekt begeistern, können auch „normale Arbeiter“ diese Wohnungen beziehen, da alle Arbeitsbereiche in Wohnungen umfunktioniert werden können.

Arbeiten und Wohnen an der Datenbahn soll auch ökologisch wertvoll sein: Die Datenbahn ersetzt die Autobahn – auf das Auto kann bei dieser Arbeit sowieso verzichtet werden. Die geplante Kindertagesstätte und das zentrale Service- und Dienstleistungszentrum machen weite Wege unnötig. Alle Wohnungen, Doppel-, Reihen- und Einfamilienhäuser haben Wintergärten und werden mit Sonnenenergie versorgt. Auch für Kultur ist in dem Stadtteil gesorgt: Im Medienzentrum, dessen Bau bereits im April 1997 in Angriff genommen wird, sollen Schulungen und Veranstaltungen stattfinden. Den zukünftigen BewohnerInnen der Nordwolle wird der Zugang zur Datenbahn im Eigenheim zur Verfügung gestellt. Doch die in Delmenhorst erwarteten 400.000 Expo-BesucherInnen kommen auf einer vielbefahrenen Autobahn.

Anke Schmidt-Bratzel

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