Griechenlands Premier sitzt in der Klemme

■ Bauern legen Verkehr lahm. Sie wollen Geld. Und Simitis muß sparen

Berlin (taz) – In Griechenland droht ein Wirtschaftsinfarkt. Nachdem die thessalischen Bauern mit ihren Traktoren seit zwei Wochen das Land in der Mitte geteilt haben, hat die Blockade seit Montag das gesamte nationale Straßennetz erfaßt. Die Regierung will dennoch nicht nachgeben. Ministerpräsident Kostas Simitis machte mehrfach klar: Eher werde seine Regierung fallen, als sich den Bauern zu beugen.

Für Simitis ist der Thermopylen-Schwur kein Bluff. Sein Ruf als Reformer und sein Regierungsprogramm basieren auf dem Ehrgeiz, den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Realistisch ist dieses Ziel zwar erst für das Jahr 2001, doch selbst das erfordert eine drastisch reduzierte Staatsverschuldung. Für 1997 will Simitis das Haushaltsdefizit auf 4,3 Prozent halbieren, um bis 1999 die Maastricht-Schwelle von 3 Prozent zu unterbieten. Die 4,5 Milliarden Mark Subventionen, die die Bauern fordern, würden das Budget über den Haufen werfen.

Viele Forderungen der Bauern sind freilich berechtigt. Vor allem die Kleinlandwirte sitzen in der Schuldenklemme. Die Proteste werden jedoch von den Falschen angeführt: Zentrum der Bauernbewegung ist Thessalien, wo die reichsten Bauern Griechenlands leben, die aus den EU-Kassen dank garantierter Preise seit Jahren fette Prämien beziehen. Vor allem die Baumwollanbauer haben ihr Geld in neue Anbauflächen gesteckt, die einen ökologisch bedenklichen Wasserverbrauch fordern und angesichts fallender Weltmarktpreise nicht konkurrenzfähig sind. Da die neue EU- Agrarpolitik die Subventionen reduzieren muß, wollen die Bauern jetzt das Geld aus Athen.

Die Bauernproteste sind damit auch die Quittung für die Fehler früherer PASOK-Regierungen. Zum einen hat man den Bauern ständig erzählt, daß die hohen Erzeugerprämien – die vor allem aus Brüssel flossen – ein Geschenk der Regierung seien. Nur logisch, daß die Bauern für das seit drei Jahren sinkende Einkommen nun Athen haftbar machen. Zum anderen wurde in Griechenland nie eine vorausschauende Agrarpolitik betrieben. Qualitätskontrollen, Exportförderung – unbekannte Begriffe. Das Resultat: Bohnen aus Michigan verdrängen einheimische Produkte, während erstklassiges Olivenöl vom Peloponnes nach Italien entführt und mit Toskana-Etiketten gewinnträchtig nach Deutschland weiterexportiert wird.

Die Regierung hat diese Versäumnisse zwar eingestanden, aber damit ist kein Bauer von seinem Traktor zu holen. Außerdem wittern selbst auf höchster Parteiebene die alten Rivalen von Simitis nun ihre Chance. Wenn die konsequente Maastricht-Politik des heutigen Regierungschefs auflaufen sollte, wäre der strenge „Reformer“ gescheitert und in der PASOK könnte erneut die Stunde der Populisten schlagen.

Das Dilemma von Simitis ist offensichtlich. Der im Wahlkampf versprochene „sozialverträgliche“ Weg nach Maastricht ist weitaus steiniger als angekündigt. Deshalb fühlen sich viele soziale Gruppen von Simitis düpiert, der ihnen im Wahlkampf zwar keine Wohltaten versprochen, aber auch keinen reinen Wein eingeschenkt hat. An ein anderes Versprechen wird Simitis heute von keiner Gruppe erinnert: eine drastische Reduzierung der Militärausgaben. Statt dessen hat sich Athen auf einen Rüstungswettlauf mit der Türkei eingelassen, der das Land bis 2005 jährlich vier Milliarden Mark kosten wird. Den Vorschlag, dieses Programm zu kürzen, hört man heute weder von den Bauern, noch von der Regierung. Niels Kadritzke