Irans Literaten verschwinden weiter

■ US-PEN-Zentrum: Herztoter Schriftsteller wurde gefoltert

Berlin (taz) – Aus dem Iran mehren sich Berichte über auf rätselhafte Weise verschwundene Schriftsteller. Nachdem der Literaturkritiker Farradsch Sarkuhi am 3. November höchstwahrscheinlich vom iranischen Geheimdienst auf dem Flughafen Teheran festgenommen wurde, hätten mindestens zwei weitere ein ähnliches Schicksal erlitten, berichten iranische Oppositionelle im Ausland. So sei Tamer Sepour Anfang Dezember vermutlich ebenfalls auf dem Flughafen verschleppt worden, Mehdi Perham soll ähnliches in Teheran passiert sein.

Unterdessen rücken einige Teheraner Behörden indirekt von der Darstellung ab, Sarkuhi sei doch zu seiner Familie nach Deutschland geflogen. Westliche Diplomaten erfuhren jüngst im iranischen Außenministerium, die iranischen „Innenbehörden“ würden sich mit dem Fall beschäftigen. Für einen Ausgereisten wären diese kaum zuständig.

Neueste Informationen des US- amerikanischen PEN-Zentrums stützen den Verdacht, daß sich Sarkuhi in den Händen des Geheimdienstes Vevak befindet. Unter Berufung auf „sehr sichere Quellen im Iran“ berichtet die Organisation, Sarkuhi habe auf dem Flughafen eine Verabredung mit einem Geheimdienstler namens „Haschemi“ gehabt. Exil-Iraner vermuten hinter „Haschemi“ einen bekannten Kontaktagenten zur iranischen Schriftstellerszene. Er soll Sarkuhi bereits am 12. September verhört haben. Dem PEN liegen auch Informationen vor, wonach Sarkuhi im Hauptquartier der Vevak gesehen worden sein soll. Das US-PEN-Zentrum verfügt ebenfalls über Informationen über den am 12. November tot in seiner Wohnung aufgefundenen Schriftsteller Ghaffar Hosseini. Dessen Leiche habe „zahlreiche Blutergüsse“ aufgewiesen. Aus dem Mund sei Blut ausgetreten. Nach Berichten von Exil-Iranern hatte ein Gerichtsmediziner als Todesursache „Herzinfarkt“ diagnostiziert.

Nach Informationen der taz erhalten derzeit zahlreiche iranische Schriftsteller Drohanrufe, vermutlich vom Geheimdienst. Ein Schriftsteller, der sich kaum noch aus dem Haus traut, berichtete von indirekten Drohungen gegen seine Kinder und der anonymen Ankündigung: „Wir können euch alle als ,deutsche Spione‘ vor die Kameras zerren.“ Iranische Intellektuelle im In- und Ausland befürchten einen Zusammenhang zwischen der jüngsten Repressionskampagne und dem Berliner „Mykonos“- Prozeß. Thomas Dreger