Alarm nach neuer Briefbombe in Österreich

■ Bajuwarische Befreiungsarmee verfehlt ihr Ziel – schlecht recherchiert

Wien (taz) – Die Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA) hat wieder zugeschlagen. Am Montag um 17.53 Uhr explodierte in Wien eine neue Briefbombe in den Händen eines Sprengstoffexperten der Polizei, der dank eines Schutzanzugs unverletzt blieb. Adressatin der explosiven Sendung war die Schriftstellerin Lotte Ingrisch, Witwe des jüngst verstorbenen Komponisten Gottfried Einem und Stiefmutter des Innenministers Caspar Einem. Ob die Frau wegen ihrer Verwandtschaft zum Minister oder wegen ihrer eigenen kosmopolitischen Gesinnung ausgewählt wurde, ist unklar. Die „Grenzgängerin zum Jenseits“, wie sie sich einmal selbst bezeichnete, schloß in einem Fernsehinterview nicht aus, daß ihr Hang zum Spiritualismus zumindest ein Teilmotiv der Rechtsextremisten gewesen sein könnte.

Die Bombe hätte eigentlich am 3. Dezember hochgehen sollen, exakt drei Jahre nach der Explosion der ersten Briefbombe, die dem damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk mehrere Finger zerfetzte. Die einwöchige Verspätung erklärt sich mit einem Irrtum der Bombenbastler: Sie hatten das Schreiben an das Haus im niederösterreichischen Waldviertel gerichtet, wo Lotte Ingrisch bis August gewohnt hatte. Es wurde als unzustellbar an die angebliche Absenderadresse im 10. Wiener Gemeindebezirk zurückgesandt: ein Wiener Institut für Astrologie, dessen Leiterin gleich Verdacht schöpfte und die Polizei alarmierte. Innenminister Einem, sichtlich betroffen von dem Anschlag, erklärte in einer ersten Reaktion, „dem Spuk“ müsse endlich ein Ende bereitet werden, und warnte die Bevölkerung vor weiteren Bomben. Für Chefinspektor Robert Sturm von der Sonderabteilung für Briefbomben herrscht kein Zweifel an der Autorenschaft. Wie bei bisherigen Sendungen wurde ein B 6-Kuvert verwendet. Auf einem unversehrten Teil des Briefkopfes waren die Worte „Graf Gerold, BBA – wir wehren uns“ zu erkennen. Graf Gerold ist ein Fürst aus der Zeit der Karolinger, auf den sich die Attentäter schon bei früheren Anschlägen berufen haben.

Die BBA, die sich in einem verschlüsselten Bekennerbrief im vergangenen September auch zum Sprengstoffattentat von Oberwart im Burgenland bekannte, wo letztes Jahr vier Roma den Tod fanden, ist eine rechtsextreme Gruppe oder ein Einzeltäter, über den oder die die Experten bereits alles wissen. Außer ihrer Identität. Es handelt sich um Fremdenhasser mit außergewöhnlichen Geschichtskenntnissen, superbem Bastlertalent und einem Hang zum Geheimnisvollen. Mehrere Personen, auf die diese Beschreibung zutrifft, werden seit einiger Zeit observiert, bislang ohne Erfolg. Momentan konzentrieren sich die Nachforschungen auf die Gemeinde Deutsch-Feistritz, unweit der steirischen Landeshauptstadt Graz, wo die jüngste Bombensendung aufgegeben wurde.

Die rechtsextreme BBA hatte bereits vor zwei Monaten neue Anschläge angekündigt. Chefinspektor Robert Sturm warnt daher auch vor weiteren Bomben, die in den nächsten Tagen auftauchen könnten. Innenminister Caspar Einem hält das für unwahrscheinlich, weil die fehlgeleitete Sendung bereits seit dem 2. Dezember unterwegs war. Bislang ist die BBA für fünf Wellen von Briefbomben verantwortlich. Ralf Leonhard