Ehrung gegen den Zynismus der Weltpolitik

■ Ost-Timors Bischof Belo und José Ramos-Horta haben in Oslo die Friedensnobelpreise 1996 entgegengenommen – Indonesiens Botschafter fehlte

Oslo (dpa) – Der Friedensnobelpreis 1996 ist gestern in Oslo an Bischof Carlos Belo (48) und José Ramos-Horta (51) aus Ost-Timor für ihren Kampf um die Menschenrechte verliehen worden. Bei der Entgegennahme der Auszeichnung am 100. Todestag des Preisstifters Alfred Nobel verglich Horta das Schicksal seiner Landsleute auf der seit 1975 von Indonesien besetzten Pazifikinsel mit dem der Juden in Europa und klagte die Welt an, der Vernichtung großer Bevölkerungsteile auf Ost-Timor durch das Besatzungsregime passiv und gleichgültig zuzusehen. Horta sagte: „Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust an den Juden und Jahrhunderte nach dem Völkermord an der Urbevölkerung von Amerika und Australien hat dieselbe Haltung eine Wiederholung dieser Verbrechen möglich gemacht.“

Der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Francis Sejersted, begründete die Preisvergabe an Belo als kirchliches Oberhaupt der Katholiken auf Ost-Timor und Horta als Exilsprecher der Befreiungsbewegung Fretilin mit ihrem „anhaltenden Einsatz für eine gerechte und friedliche Lösung des 20 Jahre dauernden Konflikts“, der von der Welt vergessen worden sei. Sejersted sagte weiter: „Selten hat sich der Zynismus der Weltpolitik so deutlich gezeigt.“ Auf der Insel seien seit dem indonesischen Einmarsch 200.000 Menschen, knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung durch Krieg, Folter, Unterernährung und Seuchen direkt oder indirekt an den Folgen des außergewöhnlich brutalen Besatzungsregimes gestorben.

Belo erklärte in seiner Rede im Beisein von Norwegens König Harald V., die Menschen auf seiner Heimatinsel seien zu Kompromissen bereit. „Sie sind bereit zur Vergebung, zur Überwindung ihrer Bitterkeit und sehnen sich nach Frieden.“ Ramos-Horta stellte erneut seinen Friedensplan vor, der einen stufenweisen indonesischen Truppenabzug, den Aufbau einer autonomen Verwaltung auf Ost- Timor und ein Referendum über die Zukunft der Insel vorsieht.

Auch in seiner Dankesrede hielt sich Belo wie seit der Ankunft in Oslo mit direkt politischen Äußerungen deutlich zurück. Er strich aus dem vorab verteilten Redemanuskript eine Passage, in der er zur Beendigung von Blutvergießen und Unterdrückung aufrufen wollte. Belo hatte sich schon am Vortag offenbar aus Furcht vor der Verweigerung der Rückkehr nach Ost-Timor durch die indonesischen Behörden geweigert, die übliche Pressekonferenz der Nobelpreisträger gemeinsam mit Horta abzuhalten. Der indonesische Botschafter in Oslo bestritt jeden politischen Druck auf Belo, nahm aber selbst als einziger Angehöriger des diplomatischen Korps nicht an der Nobel-Zeremonie im Osloer Rathaus teil.