Behindertenwitze und Anekdoten zu Analverkehr

■ Bei den Country Teasers liegt hinter Provokation tiefe Verstörung und ein seltsamer Feminismus

Satan ist schuld. Der flüstert Ben R. Wallers, einem schmächtigen Schotten mit viel zu dicken Brillengläsern und einem viel zu großen Hut, alle diese Schweinereien ein. Zu dem Rhythm 'n' Blues seiner Country Teasers, der blechern hämmert, als beule hier jemand seinen Wagen aus, verstößt er mit traumwandlerischer Sicherheit gegen geltenden Anstand. Behindertenwitze haben in seinem Repertoire der Regelverletzungen ebenso Platz wie Anekdoten zum Thema Analverkehr und üble Beschimpfungen des anderen Geschlechts. Deshalb trägt das aktuelle Album den Titel Satan Is Real – Feeling Good About Bad Thoughts.

Klar, Wallers erinnert an ein kleines Kind, das gerade mitbekommen hat, daß man in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht „Ficken“ schreien darf, gleichzeitig aber die Lust am Verbotenen genießt. Natürlich ist Provokation längst keine Leistung mehr, und Tabubruch nennt sich heutzutage, wenn Grüne Mercedes fahren. Deshalb haut auch niemand dem kleinen Kerlchen Wallers etwas an die Löffel. Und ein bißchen auch deshalb, weil fast niemand seine Teasers kennt, die ihre Konzerte unter Ausschluß der Öffentlichkeit geben, wenn sie nicht gerade in der anstandsfreien Zone von Heinz Karmers Tanzcafé rumsauen.

Wie gesagt, Provokation ist heutzutage nicht mehr die Spucke wert, mit der die Beleidigten auf sie reagieren. Warum aber zählen die Country Teasers trotzdem zu den besten Bands der Welt? Wer sich nicht von Wallers Verunglimpfungen in die Irre führen läßt, erkennt in ihrer Musik eine tiefe Trauer. Hier fühlt sich niemand wohl. Der Titel Feeling Good About Bad Thoughts hinkt, denn sie spielen den Blues – auch wenn er klingt wie eine Mischung aus Cramps und The Fall.

In dem Song „Thank You God For Making Me An Angel“ erklärt Wallers, er sei dankbar, nicht als Frau auf die Welt gekommen zu sein. Ein seltsamer Feminismus findet sich in den Liedern der Country Teasers, dessen Sänger als einer der wenigen Männer im Showbusiness darum bemüht ist, zu imaginieren, welches Leid es bedeutet, eine Frau zu sein. Das klingt naiv, führt zuweilen aber zu aufwühlenden Situationen.

Auf ihrem ersten Album überraschten die Country Teasers mit einer Coverversion von „Stand By Your Man“, das von Tammy Wynette bekannt gemacht wurde. Durch Ben S. Wallers' tolldreiste Interpretation wird aber erst die tragische Dimension, die in dieser camouflierten Hymne zum Thema Fremdbestimmung verschüttet ist, herausgeschlagen. Unter der platten Provokation liegt eine tiefe Verstörung. Christian Buß Sa, 14. Dezember, 21 Uhr, Heinz Karmers Tanzcafé