Kulturkampf mit Augenzwinkern

■ Der Dienstleistungskonzern Dussmann eröffnet im nächsten Frühjahr in der Friedrichstraße ein "Kulturkaufhaus". Das Konzept vom Erlebniskauf soll die Fehler anderer Medienpleiten verhindern

Am 8. Mai kehrt der alte DDR- Charme in die Friedrichstraße zurück. Zu Füßen der Konzernzentrale des Dienstleistungskonzerns Dussmann GmbH entsteht das „Kulturkaufhaus Dussmann“. Dort sollen neben allerlei Lese-, Guck- und Hörware auch verschiedene Ost-Memorabilia angeboten werden. In der etwas versteckt liegenden DDR-Ecke sollen allerdings nicht nachgefertigter Kitsch und anstößiger Ramsch wie Uniformmäntel offeriert werden. In den Regalen soll sich Originalware aus der ehemaligen VEB-Zone finden: echtes Geschirr aus dem abrißgestraften Palast der Republik oder Originalwerbeposter aus der sozialistischen Planwirtschaftszeit.

Eigens um diese Devotionalien einzusammeln, werden Profis aus der Trödlerszene Ost in die Spur geschickt, die die rare Ware beschaffen sollen. Die deutsche Geschichtsaufarbeitung geht möglicherweise weiter in der Verkaufsabteilung für politische Bücher, die man ja, so Kaufhausmanager Hartwig Schulte-Loh, eventuell durch eine Pappmauer trennen könne. Für die Kunden wäre das der Hinweis auf das „Augenzwinkern im Gesamtkonzept“ (Schulte-Loh) des neuen Kaufpalastes. Das soll Bewußtsein demonstrieren für die Lage am Schnittpunkt von Ost und West.

Schnittpunkt sein will man auch für die angebotenen Medienprodukte – vom Buch über Videos, CDs und die altehrwürdige Vinyl-LP bis zur Computersoftware wird nichts fehlen. Folglich heißt die Philosophie des Hauses denn auch „Get together“. Allerdings sollen neben den Produkten auch die Menschen als potentielle Käufer zusammenkommen. Eine besonders umworbene Klientel sind für die Dussmänner „Singles sowie Kulturinteressierte, die über Kultur auch sprechen wollen“. Dussmanns Niveau soll sich auf dem Klassiksektor zeigen, den man auf 700 Quadratmetern präsentieren möchte. Das wäre dann das größte Klassik-CD-Areal in Deutschland.

Der Marketingslogan „Vorwärts in die Vergangenheit“ gilt auch für das plüschige Kaufhauscafé. Das wird zwar im Stil eines literarischen Salons des 19. Jahrhunderts gehalten, ist aber mit ein paar PCs zwecks Internet-Surfing ausgestattet. Damit die Beziehung von Mensch zu Mensch mehr ist als die von Käufer zu Kassierer, werden außerdem ständig Veranstaltungen im Kulturkaufhaus stattfinden: kleinere klassische Konzerte, Lesungen, Kindervorstellungen. Sogar über einen eigenen Kundenklub wird nachgedacht.

Obwohl das Erlebniskauf-Konzept auch im Buch- und CD-Bereich schon lange nicht mehr neu ist, bedeutet es in Berlin immer noch ein gewisses Wagnis. Schließlich sind ähnliche Versuche bisher grandios gescheitert. Die französische Kette Fnac und das englische Haus Virgin Mega Store hatten nach relativ kurzem Gastspiel wieder dichtgemacht. Aus den Fehlern will man bei Dussmann lernen und sich beispielsweise viel intensiver auf den Berliner Kunden einstellen. Gerade bei Fnac sei deren heimisches französisches Konzept des Mitverkaufs von viel Eleganz auf den hiesigen Markt übertragen worden, heißt es von Dussmann. Auch das Fehlen echten internationalen Flairs in der Stadt hätten beide Flopkandidaten unterschätzt. Bei Dussmann will man jedenfalls das Geschäftsrisiko von Anfang an gering halten: Bürotechnik wird nicht geführt. Den extrem preissturzgefährdeten Handel mit Hardware überläßt man von vornherein der billigeren Konkurrenz auf der grünen Wiese.

Der Einstieg der Dussmann GmbH – ein weltweit agierender Dienstleistungskonzern mit 37.000 Beschäftigten auch in Kliniken, Wachdiensten und bei der Flugzeugwartung – in das Geschäftsfeld der Kommunikationsware ist nicht allein unternehmerischer Risikofreude geschuldet, sondern dem Immobilienmarkt. Das Kulturkaufhaus ist nämlich zugleich Standort der für 200 Millionen Mark neugebauten Konzernzentrale.

Weil die Flächen im unteren Gebäudeteil nicht entsprechend zu vermieten waren, man aber nicht „oben einen schmucken Anzug und unten nackte Füße“ haben wollte, entstand die „Notlösung“ eines eigenen Kaufhauses. Immerhin entstammt Unternehmenschef Dussmann einer badischen Buchhändlerfamilie und ist selbst gelernter Buchhändler.

Das Engagement auf dem Medienmarkt ist trotzdem wohlüberlegt. Viele Serviceleistungen für das neue Kulturkaufhaus, wie die gastronomische Versorgung oder der Sicherheitsdienst, übernehmen Firmen aus dem eigenen Unternehmen. Auch angesichts dieser Vernetzung kann sich Dussmann mit den Gewinnerwartungen etwas in Geduld üben. „Aber ab 1999“, sagt Unternehmenssprecher Hans-Hennes Schulz, „möchten wir dann schon schwarze Zahlen sehen.“ Gunnar Leue