Opposition wittert nationalen Verrat

Tschechiens Kommunisten und rechtsextreme Republikaner lehnen den Text der Versöhnungserklärung ab. Eine Stellungnahme der Sozialdemokraten läßt bislang noch auf sich warten  ■ Aus Prag Katrin Bock

Nationale Schande“, „Riesige nationale Tragödie“, „Die schwärzesten Befürchtungen übertroffen“. Wie nicht anders zu erwarten, stürzten sich die tschechischen Republikaner und Kommunisten mit Freude auf den am Montag vorzeitig veröffentlichten Text der deutsch-tschechischen Versöhnungserklärung. Keine Frage, daß diese Parteien den Text als nationale Schande ablehnen und der Regierung nationalen Verrat vorwerfen. Damit werde ein weiterer Schritt hin zu einer künftigen Beherrschung Tschechiens durch Deutschland unternommen, erklärte der Vizefraktionsvorsitzende der Republikaner, Jan Vik. Einhellig lehnen Republikaner und Kommunisten auch die Bezeichnung „Vertreibung“ ab, handelte es sich ihrer Meinung nach doch um einen „international rechtlich abgesicherten Transfer einer Bevölkerungsgruppe“.

Doch diesen Ewiggestrigen, die die Vergangenheit zum Hauptbestandteil der deutsch-tschechischen Beziehungen machen wollen, wird durch die Erklärung der Wind aus den Segeln genommen. Denn darin sind sich die drei Regierungsparteien und die Presse einig: Die Erklärung bringt – auf beiden Seiten – jene zum Schweigen, die aus der Vergangenheit politisches Kapital schlagen wollen. Dies erklärten der tschechische Außenminister Josef Zieleniec und sein Chefunterhändler, der Ex-Dissident und Vizeaußenminister Alexander Vondra.

Die tschechische Presse lobt vor allem die Zukunftsorientierung der Deklaration, da sie die Tatsache erwähnt, daß man Ursache und Folge der historischen Ereignisse nicht übersehen sollte. Zudem ist man sich einig, daß die tschechischen Politiker „unerwarteten Mut“ bewiesen haben, da erstmals offiziell zugegeben wurde, daß bei der Vertreibung Unschuldigen Leid und Unrecht zugefügt wurde.

Begrüßt wurde der Text auch vom Verband der Freiheitskämpfer, in dem ehemalige KZ- Häftlinge organisiert sind, sowie von den jüdischen Gemeinden. Beide Organisationen vermissen aber eine individuelle Entschädigung für tschechische Faschismusopfer. Zudem rügte der tschechische Oberrabbiner Karol Sidon, daß die 80.000 jüdischen Opfer nicht erwähnt werden.

Als einzige haben sich bisher die oppositionellen Sozialdemokraten noch nicht zu der Deklaration geäußert. Deren Vorsitzender Miloš Zeman hatte im September nicht ausgeschlossen, daß das Parlament Änderungen vornehmen werde. Im Parlament haben die Sozialdemokraten gemeinsam mit Kommunisten und Republikanern die Mehrheit.