Im Osten saufen die Männer, im Westen qualmen die Frauen

■ Das „Jahrbuch Sucht '97“ der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren warnt vor Kürzungen bei der Drogenhilfe

Berlin (taz) – Das Geschäft mit der Sucht läuft blendend. 30 Milliarden Mark kassierte Vater Staat im vergangenen Jahr durch Alkohol- und Tabaksteuern und in Spielhöllen. Tendenz steigend. Nur rund 550 Millionen steckten Bund, Länder und Gemeinden dagegen in die Suchthilfe. Und bei den Abhängigen wird weiter gespart. Mit der dritten Stufe der Gesundheitsreform fällt die Suchtprävention aus dem Pflichtkatalog der Kassen. Diese „drastische Reduzierung der Hilfsangebote für Suchtkranke“ kritisierte Rolf Hüllinghaus, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS). Die bundeszentrale Fachstelle für Suchtfragen stellte gestern in Berlin das „Jahrbuch Sucht '97“ vor.

Alkohol bleibt Droge Nummer eins der Bundesrepublik. In Europa bechern nur die Tschechen mehr Bier als die Deutschen. Und beim Suff liegen ostdeutsche Männer vorn: In den neuen Ländern trinken sich 20,5 Prozent, in den alten 15,1 Prozent die Leber kaputt. Jede zehnte Frau in Ost oder West kippt mehr, als sie verträgt. Aber Westfrauen qualmen mehr als Ostfrauen: 38,5 Prozent Westlerinnen gelten mit über 20 Zigaretten am Tag als starke Raucherinnen, östlich der Elbe sind es nur 18,2 Prozent.

Illegale Drogen pfeifen sich dagegen eher die Wessis ein: 14,6 Prozent haben schon mal Bekanntschaft mit Haschisch, Koks oder Heroin gemacht. Im Osten kennen nur vier Prozent die verbotene Dröhnung. Was und wie oft hier konsumiert wird, bleibt allerdings im dunkeln. So gaben nur knapp zwei von hundert Ostlern illegalen Drogengebrauch innerhalb der letzten zwölf Monate zu. Und von den Westlern will ein Drittel der heimlichen Konsumenten nur Haschisch geraucht haben.

„Der Mythos von Tabak und Cannabis als Einstiegsdroge für harte Drogen läßt sich wissenschaftlich nicht halten“, erklärte Dr. Ludwig Kraus vom Institut für Therapieforschung in München. Nur knapp drei Prozent derer, die in deutsche Beratungsstellen kommen, haben Streß mit dem täglichen Joint. „Das Problem der Sucht ist hier geringer als das der Kriminalisierung“, bestätigte Jost Leune vom Fachverband Drogen und Rauschmittel e. V. Hannover.

Daß die bundesdeutsche Drogenpolitik gescheitert sei, wiesen die Experten von sich. Mit geschätzten 120.000 Heroin- oder Kokainabhängigen sei die Zahl der Suchtkranken seit 1994 leicht zurückgegangen. Deutlich gestiegen ist dagegen die Zahl derer, die einen ambulanten Entzug mit Methadon wagen. Daß die Erfolge bei harten Drogen nicht größer sind, sei den den Sparmaßnahmen der Kommunen zuzuschreiben. Jüngstes Beispiel: In der Drogenmetropole Berlin wird die Landesstelle gegen Suchtgefahren geschlossen. Constanze v. Bullion