Fußball-Fans für „freies Stehen“

■ BAFF-Treffen auf St. Pauli: Der Abriß von Stadionzäunen und Erhalt von Stehplätzen sowie die Strategie gegenüber dem DFB sind die Hauptthemen

Welche Rolle spielen heutzutage Fußballfans? Sind sie hübsche Kulisse für Fernsehbilder? Abnehmer von „Fan-Produkten“ wie Badelaken und Bettwäsche? Oder Rowdies, denen nur mit massivem Polizeiaufgebot beizukommen ist? Drei Visionen, die eins gemein haben – die Fremdbeschreibung dominiert, der Fußball-Interessierte selbst wird kaum gefragt.

Einige Anhänger des runden Leders geben sich damit nicht zufrieden. Das „Bündnis Aktiver Fußball-Fans“ (BAFF) veranstaltet am Wochenende auf St. Pauli sein Wintertreffen. Ziel der 1993 aus antifaschistischen Fan-Initiativen hervorgegangenen bundesweiten Organisation ist nicht nur der Kampf gegen Rassismus in den Stadien. Den Fans soll auch eine Stimme in den Entscheidungsprozessen um den Fußball verliehen werden. Beim heute beginnenden Treffen werden die „Zaunfrage“ und die „Versitzplatzung“ im Vordergrund stehen – und die Frage, wie Stehplatzstadien ohne Zäune durchzusetzen sind.

Eine Diskussion mit trauriger Aktualität: Vor einigen Wochen starben über 80 Menschen bei einem Fußballspiel in Guatemala. Weil Unmengen gefälschter Eintrittskarten in Umlauf gebracht worden waren, standen zu viele Fans in den eingezäunten Blöcken und drückten sich in Panik zu Tode. BAFF sieht nicht die Stehtraversen als Ursache. Entscheidend für das Unglück seien die durch Zäune versperrten Fluchtwege gewesen.

Grundsätzlich ist für die organisierten Fans die Annahme, daß Sitzplätze die Sicherheit erhöhten, ein gefährlicher Trugschluß. Zwar herrsche auf Sitzplätzen zunächst weniger Bewegung und somit geringere Sturzgefahr als auf Stehtraversen. Käme es aber zu Tumulten, erwiesen sich Schalensitze als lebensgefährliche Stolperfallen.

Das „freie Stehen“ – Stehplätze zu erhalten und Zäune abzureißen – erscheint jedoch wie die Quadratur des Kreises. Der Welt-Fußball-Verband FIFA nähert sich zwar langsam der Position, die Zäune abzuschaffen, verbindet dies aber mit der Forderung nach reinen Sitzplatzstadien. Doch die Versitzplatzung erhöht die Eintrittspreise und verbannt finanzschwache Anhänger aus den Stadien.

Im Zuge der Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) um die Ausrichtung der WM 2006 dürfte sich das Problem auch hierzulande verschärfen: Es droht die Umwandlung der Bundesliga-Stadien in reine Sitzplatzarenen.

Während über solche inhaltlichen Positionen weitgehend Konsens besteht, ist die Strategie, wie BAFF Gestaltungsmacht entwickeln kann, umstritten. Stadion-Aktionen mit Transparenten und Sprechchören haben bisher wenig öffentliche Resonanz gefunden. Soll deshalb die Institutionalisierung weiter vorangetrieben werden, nachdem sich BAFF 1995 schon in eine Vereinigung mit formaler Mitgliedschaft und Jahresbeiträgen umorganisiert hat? Ist es sinnvoll, sich zum festen Ansprechpartner des DFB in „Fan-Fragen“ hochzudienen? Oder doch lieber „ungebunden“ agieren?

Der Spagat zwischen isolierter Papiertigerei und Vereinnahmung durch DFB-kompatiblen Main-stream führte bereits zur Änderung des A im Namen: Aus dem „antifaschistischen“ wurde 1995 das „aktive“ Fußballfan-Bündnis.

Folke Havekost