Warten auf Neonazi Gary Lauck

■ Aktion „Atlantik II“: BKA und Staatsanwaltschaft zogen Bilanz Von Peter Müller

Einen Tag nach dem bundesweiten Schlag der Hamburger Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen Bezieher und Verteiler von Propaganda-Schriften der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/ Auslands- und Aufbauorganisation“ („NSDAP/AO“) hofft die Anklagebehörde nun auf einen erneuten Coup: Der leitende Ermittler und Oberstaatsanwalt Dietrich Klein: „Es gibt einen vorsichtigen Optimismus, was eine Auslieferung von Gary Lauck betrifft.“

Gary Lauck ist – wie berichtet – Herausgeber der „NSDAP/AO“-Pamphlete, zu denen unter anderem der „NS-Kampfruf“ gehört. Lauck lebt in Lincoln/Nebraska. Gegen den Neonazi besteht seit Jahren in Hamburg ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung, Anstachelung zum Rassenhaß und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Anklagebehörde hatte bislang vergeblich versucht, die US-Sicherheitsorgane zur Unterstützung zu bewegen und eine Hausdurchsuchung zu erwirken.

Als die Hamburger Ermittler nun vor wenigen Wochen davon Kenntnis erhielten, daß sich Lauck in Dänemark aufhält – wo er nach Neonaziversion vor einem „Killerkommando“ Schutz suchte – witterten die Ankläger die große Chance.

Nach Erscheinen des jüngsten „NS-Kampfruf“ in deutscher Sprache erließ das Amtsgericht am 6. März erneut Haftbefehl, der prompt den dänischen Sicherheitsorganen zugeleitet wurde. „Wir haben den Eindruck, daß die dänischen Behörden den Haftbefehl sehr genau geprüft haben“, so Staatsanwalt Hartmut Wulf. Denn nach dänischem Recht sind die deutschen Paragraphen keine Straftatbestände. Klein: „Doch nach dänischem Recht gibt es die Straftatbestände der Rassenhetze und der Aufforderung zur Gewalt. Diese sind durch den letzten ,NS-Kampfruf' erfüllt.“

Das war dann wohl auch der entscheidende Grund, daß die dänischen Staatsschützer am vergangenen Montag zuschlugen, Lauck festnahmen und in Auslieferungshaft steckten. Wulf: „Wir haben nunmehr 15 Tage Zeit, die dänischen Behörden mit Material zu versorgen und über den formellen diplomatischen Weg die Auslieferung zu erwirken.“ In Hamburg angekommen, wird Lauck umgehend der Prozeß gemacht. Wenn Lauck aussagt, könnte es auch anderen Neonazis an den Kragen gehen.

Unterdessen zogen gestern das Bundeskriminalamt und die Hamburger Staatsanwaltschaft auf einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium eine erste Bilanz der Aktion „Atlantik II“ gegen die Bezieher der „NSDAP/AO“-Hetzschriften. Nach Angaben von BKA-Fahnder Werner Betmann seien in Hamburg fünf Wohnungen (bundesweit 84) durchsucht worden, die Verfahren richteten sich gegen drei (bundesweit 57) Personen (in Schleswig- Holstein: 13 Wohnungen und acht Personen). Insgesamt seien 10.000 Hakenkreuzaufkleber mit unterschiedlichen Zusätzen (Beispiele: „Ausländer raus“, „Juda verrecke“), 200 „NS-Kampfrufe“ sowie NS-Fahnen beschlagnahmt worden. Es seien aber auch diverse Waffen (Vorderlader, Maschinengewehr) sowie Munition, Teile für Sprengsätze und ein scharfer Revolver gefunden worden.

Oberstaatsanwalt Dietrich Klein – der 12 Jahre lang das Verfahren leitete, ohne konkrete Erfolge erzielen zu können – hat nun Oberwasser bekommen. Seitdem er weiß, in welcher Verpackung die „NSDAP/AO“-Propaganda nach Deutschland geschleust wird – dezenter brauner Umschlag mit Postanschrift und einem Aufkleber zur Tarnung: „Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr“ – sei man in der Lage, diese Briefe in Bremerhaven (Seeverkehr) oder Düsseldorf (Luftverkehr) abzufangen. Klein: „Inzwischen können wir sagen: Jeden, der dieses Material in den USA bestellt, können wir ermitteln, so daß er bestraft werden kann.“ Und auch BKA-Fahnder Betmann prophezeit: „Ich kann versichern, daß das nicht die letzte Aktion in dieser Angelegenheit gewesen ist.“