Marsch der Turnschuh-Banker

■ Ökobank auf Expansionskurs: Eröffnung einer Hamburger Agentur soll Voraussetzungen für Filialgründung schaffen Von Florian Marten

Wenn am 31.März die Wissenschaftlerin und Feministin Christine Müller und die Juristin Roswitha Pohl-Wedemeyer gemeinsam die erste Hamburger Agentur der Ökobank eröffnen, hat die kapitale Enkelin der Alternativbewegung einen weiteren Schritt auf ihrem langen Marsch zu wirklicher Bedeutung getan. Derzeit betreut die Ökobank gerade mal 7,5 Millionen Hamburger Mark – nicht gerade viel bei einem Hamburger Bruttoinlandsprodukt von weit über einer Billion Mark.

Mit den Erfolgen der Frankfurter Turnschuhpolitiker können die Frankfurter TurnschuhbankerInnen noch nicht ganz mithalten: Während Joschka Fischer sich in Bonn fürs Vizekanzleramt warmläuft und Frankfurts grüner Stadtkämmerer Tom Koenigs sich fest in den Diskutierzirkeln der Frankfurter Großbankenszene etabliert hat, hat die Ökobank nach sieben Jahren Aufbau bundesweit immer noch erst schlappe 207 Millionen Mark Bilanzsumme aufzuweisen.

Das soll sich ändern. Seit knapp zwei Jahren streifen die ÖkobankerInnen ihre Startprobleme allmählich ab. In einer Unzahl interner Workshops und „Strategiewerkstätten“ wurde und wird der Kurs für ein strategisch ausgerichtetes Wachstum gelegt. Nach der Konsolidierung der Zentrale in Frankfurt, die auch als „Brief-, Telefon- und Faxbank“ funktioniert, sollen jetzt die Regionen neues Wachstum bringen.

Ziel ist der Aufbau eines kleinen, aber feinen Filialnetzes in wichtigen deutschen Zentren. Obwohl in Deutschlands Ökohauptstadt Freiburg die bislang einzige Filiale seit 1994 endlich schwarze Zahlen schreibt, ist der Weg zu einer Filialgründung dornig: Die hohen Kosten einer Bankfiliale – Sicherheitsbestimmungen, Räumlichkeiten, mindestens drei hochqualifizierte Festangestellte – erzwingen ein allmähliches Vorangehen. Erst wenn ein bestimmtes regionales Geldaufkommen gesichert ist, kann dieser Schritt gewagt werden.

Deshalb muß sich die Ökobank zunächst auf ihre regionalen Wurzeln stützen: Die Mehrzahl der insgesamt zwölf Regionalgruppen, in denen ehrenamtliche Mitglieder der Ökobank bislang Beratung für Ökobank-KundInnen lieferten, soll in professionelle, sprich gelderwerbsmäßige Agenturen umgebaut werden. Nach Dresden, Berlin, München und Nürnberg ist jetzt Hamburg dran.

Das Konzept ist einfach und risikoarm: Bislang bereits erfolgreiche und ökobankgeschulte ehrenamtliche BeraterInnen erhalten neben einer Starthilfe (Büroausstattung) einen festen Zuschuß für ein kleines Büro (ca. 12.000 Mark pro Jahr), einen Werbeetat, weitere Schulungsangebote und eine – branchenübliche – Provision von 0,5 bis ein Prozent der Kreditsummen. Roswitha Pohl-Wedemeyer: „Wir können davon zunächst nicht leben. Durch unsere jetzt zuverlässige Präsenz wird die Idee bekannter. Wir wollen schon auch Geld verdienen.“

Das Frauenduo Müller/Pohl-Wedemeyer steht freilich nicht für die flotte Geldabzocke. Im Gegenteil: Die Agentur mit dem etwas weitschweifigen Namen „Ideen, Geld, Konzepte, Ökobank-Produkte“ zielt insbesondere auch auf die Beratung von Projekten, die um Förderkredite nachsuchen. Christine Müller kennt sich als Mitbegründerin verschiedener feministischer Projekte in dieser Szene gut aus. Direkte Bankgeschäfte dürfen die beiden auch nicht abwickeln: Dafür ist die Frankfurter Zentrale zuständig.

Allerdings: Während die allgemeine Akzeptanz der Ökobank ständig steigt, tun sich potentielle EinlegerInnen schwer. Pohl-Wedemeyer: „Die Leute gucken sehr auf die Zinsen.“ Zudem, so klagt die Frankfurter Zentrale, wird „Öko“ heute zunehmend schlicht auf Umwelt reduziert. Dabei sehen die ÖkobankerInnen ihren Anspruch, getreu der alternativbewegten Wurzeln, erheblich weiter: „Die Demokratisierung der Gesellschaft, soziale Aspekte und emanzipatorische Bestrebungen sind ebenso wichtige Zielsetzungen wie der Umweltschutz.“

Neben den etwas anderen (niedrigeren) Zinsen, bei denen allerdings nur die Fördereinlagen deutliche Einnahmeverluste bringen, will die Ökobank auch unverändert die etwas andere Bank bleiben. Auf moderne, menschenarme Formen der Kommunikation soll freilich nicht verzichtet werden. Schon heute kann die Ökobank-KundIn per BTX und Modem mit ihrer Bank verkehren. An der Verbesserung dieses elektronischen Bankings wird derzeit heftig gewerkelt. Ein Experiment mit elektronischem Telefonbanking (Kundin redet mit Computer) schlug freilich kürzlich fehl. Die Ökobank will deshalb Telefonbanking erst dann anbieten, wenn sie die Telefone mit Menschen besetzen kann.

„Ideen, Geld, Konzepte, Ökobank-Produkte“, Falkenried 74a, 20251 Hamburg, Tel.: 040/460 10 89, Fax 040/48 89 59