Frischgewaschener Bengel

■ Das schwule Magazin „hinnerk“ hat einen neuen Besitzer

Hamburgs schwules Stadtmagazin hinnerk ist baden gegangen: Nicht nur der in der Wanne liegende Coverboy der heute erscheinenden Aprilnummer hat sich einer Vollreinigung unterzogen. Das ganze Blatt kommt frisch gewaschen daher, hat nun weißes Papier, mehr Bilder und zeigt gleich an mehreren Stellen ein selbstbewußtes Ausrufezeichen hinter seinem Namen. Sein neues Outfit verdankt der hinnerk betrügerischen Telefonkunden, erklärt Bernd Offermann, der Geschäftsführer des Berliner magnus-Verlags.

Jedenfalls indirekt. Nach dem Abrechnungs-skandal vor einigen Monaten schalteten Telefonsexlines aus dem Ausland keine Anzeigen mehr in Deutschland. Das traf das bundesweite Schwulenmagazin magnus und seine Lokal-Ableger in Berlin und Hamburg ganz besonders hart. „Allein beim hinnerk fehlten uns plötzlich ein Drittel der Einnahmen“, sagt Offermann. „Wir haben große Liquiditätsprobleme. Um einer Überschuldung zu entgehen, mußten wir hinnerk verkaufen.“

Neuer Herausgeber wurde der Hamburger Peter Goebel, Inhaber einer Werbeagentur. Weit und breit sei sonst niemand zu sehen gewesen, der das Blatt weiterführen wollte, erklärt Goebel seinen Schritt. „Dabei braucht eine Stadt wie Hamburg eine schwule Publikation, die mehr als nur ein Anzeigenbogen ist.“ Im Moment habe er sich damit ein teures Hobby zugelegt, fügt Goebel hinzu, denn nach seiner Kalkulation reichten die Anzeigeneinnahmen noch nicht, um die Kosten für die 15.000 gratis verteilten Hefte pro Monat zu decken.

Mit ihm soll nun, 18 Monate nach der ersten Ausgabe, alles anders werden. Als Sofortmaßnahmen wurden Druck und Gestaltung des Heftes nach Hamburg verlegt, das Blatt von „Programm“ in „Stadtmagazin“ umbenannt und das Layout geliftet. Dabei mußte alles sehr schnell gehen, und wohl auch darum hat das angenehm entstaubte Erscheinungsbild noch zwei Kinderkrankheiten: Große Geschichten wirken wie Bleiwüsten, und die Textanfänge sind schwer zu finden.

Jetzt braucht das schwule Stadtmagazin dringend noch ein neues Konzept für den Inhalt. Denn nachdem es in seinen ersten Ausgaben noch politische und soziale Themen gesetzt hatte, schrumpfte es in den vergangenen Monaten zum reinen Ankündigungsblatt für Kulturveranstaltungen. Im aktuellen Heft befaßt sich nur ein größerer Artikel mit etwas anderem als Kultur: Die schwulenfeindlichen Sprüche des Journalistenpapstes Wolf Schneider werden kritisch unter die Lupe genommen.

„Wir müssen da was tun“, stimmt Goebel zu. „Der hinnerk muß sich öffnen, mehr nach Hamburg orientieren, auch gesellschaftspolitische Themen aufgreifen und dabei über den schwulen Bereich hinausgucken. Idealerweise sollte er für einen bestimmten Leserkreis andere Stadtmagazine überflüssig machen.“ Langfristig soll der hinnerk denn auch wieder dicker werden. Zur Zeit hat er nur 28 Seiten.

Unter Hochdruck erarbeiten derzeit Alleinredakteur Thomas Plaichinger und Anzeigenakquisiteur Burkhardt Knopke ein neues Konzept. Der frischgewaschene Bengel hinnerk muß allerdings die Beine in die Hand nehmen: Schon in drei Monaten wird Goebel prüfen, ob seine Rechnung aufgegangen ist. Sonst will er seinen gerade adoptierten Papiersohn wieder verstoßen. Kristian Binder