Fahrradrevolution für Hamburg

■ Baubehörde erläßt neue Richtlinie für die Radverkehrsplanung / Radlerlobby feiert „neues Zeitalter“ / Das Zauberwort heißt „Plast 9“ Von Florian Marten

Fahrradstreifen statt Fahrradwege, Fahrradvorfahrt auf Kreuzungen, Öffnung von Einbahnstraßen für Radler in Gegenrichtung, die Einführung regelrechter Fahrradstraßen im Univiertel und ein einheitliches Wegweisersystem für Hamburgs RadlerInnen – die Hamburger Baubehörde und ihr Fahrradbeirat präsentierten gestern ein gemeinsam erarbeitetes Planungswerk, das Radfahrern eine goldene Stadtverkehrszukunft verheißt.

Das mehr als hundert Seiten schwere Bändchen mit dem geheimnisvollen Titel „PLAST 9“ ist in dieser Form bundesweit einmalig. Die neuen „Planungshinweise für Stadtstraßen-Anlagen des Radverkehrs“ bedeuten eine Revolutionierung der Hamburger Straßenplanung. Zunächst freilich nur auf dem Papier: Die von der Baubehörde erlassene PLAST sind ein Planungsbausteinkasten, der für praktisch alle Straßenverkehrssituationen fahrradfreundliche und moderne Lösungen anbietet.

Mit vielen Unsitten der Hamburger Fahrradplanung ist in Zukunft Schluß: Statt Radwegebau gibt es künftig Fahrradstreifen auf der Straße. Die gemeinsame Verbannung von Fußgängern und Radlern auf den Gehweg soll ebenfalls der Vergangenheit angehören. Auch bei Bushaltestellen, bislang Fahrradfallen erster Ordnung, gilt: Das Fahrrad erhält freie Fahrt, zum Beispiel durch die Verlegung des Bushaltes auf die Straße.

Wie schnell die neuen Segnungen greifen und aus den bisher gerade mal 11 Kilometern Fahrradstreifen in Hamburg ein dichtes Netz wird, steht freilich noch in den Sternen: Die neuen Richtlinien greifen erst beim Umbau und Neubau von Straßen. Da in jedem Fall noch eine „Einzelprüfung“ vorgesehen ist, haben es Hamburgs Planer vor Ort in der Hand, ob aus dem Papier Verkehrswirklichkeit wird.

Bausenator Eugen Wagner gab sich gestern schrill begeistert: „Das Ding hat es wirklich in sich. Wir haben aufgeschrieben, wie wir siegen können.“ Wagners gute Laune steigerte sich noch, als der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Streicheleinheiten verteilte: „Die neuen Planungshinweise für Stadtstraßen bedeuten den Beginn eines neuen Fahrradzeitalters.“

Das helle Entzücken der Fahrradfreunde kommt nicht von ungefähr: Nach knapp zweijähriger Arbeit im Fahrradbeirat sah die Fahrradlobby ihre anfängliche Skepsis widerlegt. Mit guten Argumenten, profunder Sachkenntnis und einer Vielzahl guter Beispiele aus anderen Deutschen Städten zogen die Fahrradfreaks ängstliche Behördenmitarbeiter und sogar den widerstrebenden ADAC-Vertreter allmählich auf ihre Seite.

Den härtesten Widerstand gegen das neue Radlerglück leistete die Innenbehörde: Nur durch energischen Einsatz von Eugen Wagner höchstselbst konnte den widerstrebenden polizeilichen Autofreunden eine Zustimmung abgerungen werden. Kompromisse gab es dennoch: Fahrradstreifen sind nicht verbindlich vorgeschrieben, in der Einzelprüfung vor Ort kann auch etwas ganz anderes herauskommen.

Arno Reglitzky vom ADAC betont: „Die PLAST darf kein Alibi für eine flächendeckende Pflastermalerei werden, die den PKW vertreibt. Käme es dazu, würden wir noch nachträglich aus dem Beirat aussteigen.“ Also doch alles nur heiße Luft? Wolfgang Große vom ADFC sieht es anders: „Die Arbeit des Beirates fängt gerade erst an. Die Belange der Radfahrer werden endlich berücksichtigt. Diese Entwicklung gilt es auszubauen.“