: Im Zweifel erstmal gegen den Arbeitslosen
■ Arbeitsamt zahlt drei Monate kein Geld, obwohl Kündigungsgrund strittig ist
„Im Zweifel gegen den Angeklagten“, so empfindet der EDV-Fachmann Peter S. die Praxis des Hamburger Arbeitsamtes. Das hatte ihm kürzlich in einem vorläufigen Bewilligungsbescheid für sein Arbeitslosengeld nebenbei mitgeteilt, daß er zunächst eine dreimonatige Sperrzeit bekommen habe. Ein Vierteljahr ohne Geld – und das nur, so meint der düpierte Lei-stungsempfänger, weil man dem Arbeitgeber mehr Glauben schenkt als ihm.
Eine Sperrzeit kann das Arbeitsamt laut Arbeitsförderungsgesetz (AFG) verhängen, wenn der Erwerbslose den Job selber gekündigt hat oder ihm aufgrund vertragswidrigen Verhaltens gekündigt wurde. Beides trifft laut Peter S. aber nicht auf ihn zu. Zumindest ist der Kündigungsgrund noch strittig. Nach seiner Schilderung hatte der Chef ihn fortgesetzt beleidigt, so daß er sich dagegen schriftlich verwehren mußte. Sechs Wochen später kam die Kündigung mit der mündlichen Begründung, er habe zuwenig Ehrgeiz gezeigt und keine kostenlosen Überstunden oder Samstagsarbeit angeboten. Von solchen Sonderregelungen war im Arbeitsvertrag aber keine Rede gewesen.
Als er deswegen vor Gericht zog, begründete sein Chef den Rausschmiß jedoch plötzlich mit „vertragswidrigem Verhalten“. Für das Hamburger Arbeitsamt Grund genug, zunächst drei Monate kein Geld zu zahlen und auf den Ausgang des Arbeitsgerichts-Prozesses zu warten. „In der Praxis spricht das Arbeitsamt damit quasi eine Vorverurteilung gegen mich aus“, beschwert sich S. Eine Praxis, so seine Vermutung, die rechtlich nicht zu begründen sei.
Das Arbeitsamt verfahre in diesen Fällen seit langem so, erklärte Arbeitsamtssprecherin Petra Schopper gegenüber der taz auf Nachfrage. Am liebsten warte man halt die gerichtliche Klärung ab, weil das Amt ungern vorab zahle, und anschließend womöglich Geld zurückfordern müsse. Das könne für Arbeitslose finanzielle Schwierigkeiten bedeuten, räumte sie ein. Mit einem Widerspruch gegen die Sperre könne der Betroffene jedoch versuchen, eine Klärung noch vor dem Ende des Prozesses zu erwirken. sako
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