Obdachlos im Ämter-Dschungel

■ Wohnungsräumung in Langenhorn in letzter Minute verhindert / Fünfköpfige Familie darf bleiben / SAGA machte Formfehler Von Lisa Schönemann

Sie saßen auf gepackten Koffern und wußten bis gestern nachmittag nicht, wo sie heute wohnen würden. Dann kam für die fünfköpfige Familie Schwarze aus Langenhorn die erlösende Nachricht: Ihr Anwalt hat vor Gericht eine einstweilige Anordnung erwirkt, die vorläufig eine Zwangsräumung verhindert. Die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA hatten wegen Mietrückständen ein Verfahren gegen den Maschinenbauingenieur Christian Schwarze angestrengt, eine Gerichtsvollzieherin sollte heute ihres Amtes walten. Eine Atempause für die von Obdachlosigkeit bedrohte Familie? „Ich hatte mir schon ausgemalt, wie es ist, mit den Kindern im Regen zu stehen“, sagt Elisabeth Schwarze erleichtert.

Die SAGA mußte gestern zähneknirschend einlenken, zumal die Mietrückstände (monatlich 917 Mark kalt) inzwischen bezahlt sind. Die Wohnungsgesellschaft hatte sich auf ein Räumungsurteil berufen und wollte das Reihenhaus in Langenhorn, das wohnungsamtzuweisungspflichtig ist, den nächsten Suchenden auf der Warteliste geben.

Schwarzes sind nur eine von vielen Familien, die im Dschungel der Ämterzuständigkeiten um ein Haar ihr Dach über dem Kopf verloren hätten, nachdem sie wegen Arbeitslosigkeit die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Christian Schwarze war zuletzt als Konstrukteur in der Kunststoffverarbeitung tätig. „Auf dem Arbeitsamt hörte ich dann, daß es über 1000 arbeitslose Maschinenbauingenieure gibt“, sagt der 36jährige. Das habe ihm „die Augen für seine Situation geöffnet“. Dennoch hat er sich weiter beworben – ohne Erfolg. Bald konnte die Familie nicht mehr für die Miete aufkommen, die Ehe geriet in eine Krise, und schließlich zog Elisabeth Schwarze mit den Kindern nach Süddeutschland.

Christian Schwarze versuchte über das Sozialamt und die Wohnungssicherungsstelle des Bezirks, die SAGA zu besänftigen. Doch auf die erste Kündigung folgte die zweite und schließlich erwirkte die Wohnungsgesellschaft im September 1994 ein gerichtliches Räumungsurteil. Schwarzes erhielten noch eine letzte Frist bis Februar 1995, die Wohnung zu verlassen.

Inzwischen hat sich das Paar ausgesöhnt und lebt mit seinen Kindern Maike (9), Katrin (7) und Fabian (3) wieder im Reihenhaus am Raakmoor. Sie haben sich Geld geliehen und die Mietschulden abgetragen.

SAGA-Sprecher Hermann Bokholt verwies gestern auf eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes, nach der Mutter und Kinder nicht in Langenhorn, sondern in einem Ort am Rhein gemeldet sind. „Die wohnen dort gar nicht“, so Bokholt. Das Reihenhaus könne nicht für einen alleinstehenden Mann freigehalten werden, wenn eine andere Familie mit drei kleinen Kindern dringend eine Wohnung braucht. Generell sei das Wohnungsunternehmen bemüht, „mit den Räumungstiteln sensibel umzugehen“.

Rechtsanwalt Jens Waßmann fand in den umfangreichen Akten einen Fehler: Das Räumungsbegehren der SAGA richtete sich nur gegen Herrn, nicht aber gegen die zweite Hauptmieterin Frau Schwarze. „Nach der gängigen Rechtssprechung in Hamburg muß sich ein solcher Vollstreckungstitel gegen sämtliche Hauptmieter richten“, so Waßmanns Überzeugung. Das Amtsgericht wird darüber jetzt verhandeln und die Mutter der Kinder erneut zu ihrer Lebenssituation befragen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfen Schwarzes in Langenhorn bleiben.