Das Sparen der Systemklempner

■ Im taz-Streitgespräch über das Stopfen Hamburger Haushaltslöcher: Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) und die Fraktionschefs Ole von Beust (CDU) und Willfried Maier (GAL)

taz: Hochverehrter Senator Runde, diese beiden Herren hier, GAL-Fraktionschef Willfried Maier und CDU-Fraktionschef Ole von Beust, würden gerne statt Ihrer auf dem Sessel des Finanzsenators Platz nehmen. Trauen Sie denen das zu?

Ortwin Runde: Platz zu nehmen schon, es so gut zu machen wie ich, natürlich nicht. Haushaltkonsolidierung ist eine komplizierte Sache. Dazu muß man ein richtiger Systemklempner sein. Herr Maier hätte das Naturell, aber Herrn von Beusts Sache ist es sicher nicht.

Ole von Beust: Stimmt, ich will ja auch Bürgermeister werden. Und um die Grundzüge und -probleme der Finanzpolitik zu erkennen und zu beurteilen, dazu muß man kein Systemklempner sein.

Runde: Jetzt bitte keine Beleidigungen gegen das Handwerk. Denken Sie an die Handwerkerliste!

taz: In der kommenden Woche wird die Bürgerschaft drei Tage lang über Hamburgs 18-Milliarden-Haushalt brüten. Ist der Haushaltentwurf 1997 eine runde Sache geworden?

von Beust: Eine runde Sache ist er nur insofern, als er von Herrn Runde stammt. Er ist aber kein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Trotz der proklamierten Sparpolitik des Senats wächst der Schuldenberg bis zum Jahre 2000 auf fast 40 Milliarden Mark.

Willfried Maier: Eine runde Sache kann es schon deshalb nicht sein, weil Einnahmen und Ausgaben auseinanderklaffen.

Runde: Dieser Haushalt hat den geringsten Zuwachs seit vielen Jahren: 0,4 Prozent. Das ist eindeutig ein Sparhaushalt unter allerschwierigsten Bedingungen.

taz: Zur Zeit des Wende-Booms hat die Stadt geklotzt, jetzt kann sie nicht mal mehr kleckern. Das Loch von 2,7 Milliarden im Betriebshaushalt 1996 und 1997 wird durch den Verkauf der Hamburgischen Electricitätswerke und der Landesbank gedeckt. Doch woher soll 1998 die fehlende Milliarde kommen?

Runde: Zum Teil durch Ein-sparungen. Sparen allein reicht aber nicht aus. Das haben die vergangenen vier Jahre der Haushaltskonsolidierung gezeigt. Die Einnahmenseite kann nur durch eine stärkere Konjunktur verbessert werden. Angesichts des Bonner Maastricht-Fetischismus ist mir da allerdings angst und bange.

Maier: Das Warten auf die Konjunktur wird trotzdem kein klassisches Wachstum herbeiführen. Das sind marginale Veränderungen.

von Beust: Herr Runde, Sie wiederholen sich mit ihrer propagandistischen, sozialdemokratischen Aufgabenteilung: Wo es schlecht läuft, ist der Bund schuld, wo's gut läuft, ist es Ihr Verdienst.

Runde: Ach, Herr von Beust. Die Steuerschätzung wird doch maßgeblich von Bundesbehörden berechnet. Wenn Sie mich da angreifen, fallen Sie doch auch Ihrem Finanzminister Waigel parteipolitisch in den Rücken. Das ist aber nicht schön.

Maier: Keine noch so gute Sparpolitik kann eine Steuerreform und eine gerechtere Verteilung der Einkommensteuer ersetzen. Das wird ohne einen Machtwechsel in Bonn jedoch nicht kommen.

von Beust: Um im Boris-Becker-Deutsch zu sprechen: Es ist schon mental ein falscher Ansatz zu sagen, daß man es mit Sparen allein nicht schaffen könnte. Denn dann wird man es nie schaffen.

taz: Bei der letzten Sparrunde im November konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß im Hamburger Haushalt viel Luft ist. 200 Millionen Mark Kürzungen wurden mal eben ohne große Schmerzen aus dem Hut gezaubert. Gibt es noch mehr Pölsterchen und heimliche Sparstrümpfe?

Maier: Das waren keine Pölsterchen. Die Spareffekte, etwa durch niedrige Zinsen, kann der Senator sich nicht als Verdienst an die Jacke heften.

Runde: Tue ich ja gar nicht.

von Beust: Und genau das ist das Problem: Es wurde nicht strukturell gespart, sondern die Spareffekte waren Glückssache. Herr Runde, Sie müssen staatliche Dienstleistungen, Privatisierung und Personalreduzierung im öffentlichen Dienst anpacken.

Runde: Steuereinbrüche haben immer etwas Dramatisches. Wir mußten die Steigerungsrate des Haushalts von 1,4 auf 0,4 Prozent absenken. Und nachdem das – übrigens zusätzlich zu den 256 Millonen Mark an Konsolidierungsmaßnahmen – gelungen ist, sagen Sie: „Ei, das war ja gar nichts.“ Ich bitte Sie!

taz: Mit zufälligen Spareffekten wird Hamburg aber langfristig nicht weiterkommen. Die GAL wirft Ihnen vor, Herr Runde, konzeptlos immer nur Einsparvolumen zu nennen, statt inhaltliche Prioritäten zu setzen.

Runde: Dieser Haushalt hat eindeutige Prioritäten in den Bereichen Wohnungsbau, Arbeitsmarktpolitik, Armutsbekämpfung und Kindertagesstätten. Und das haben wir trotz Sparhaushalt durchgehalten.

Maier: Diese Prioritäten werden Sie aber in der kommenden Legislaturperiode nicht durchhalten. Sie drücken sich vor der Wahl davor zu sagen, was zentral wichtig ist, und was Sie zur Disposition stellen.

von Beust: Man kann sich nicht hinstellen und sagen, wir machen weiter wie bisher. Hamburg zahlt erheblich weniger Schulden zurück als andere Bundesländer. Wenn der Senat rechtzeitig privatisiert hätte, wären wir jetzt besser dran. Aber für die Sozialdemokraten kam die Trennung von staatlichem Eigentum lange einem Verrat am Volkseigentum gleich. Außerdem muß man beherzt an die Größe des öffentlichen Dienstes rangehen. Es sind einfach zu viele Stellen.

Maier: Jetzt einen Antrag in die Bürgerschaft einzubringen, um zusätzlich 1000 Stellen zu streichen, wie die CDU es tut, ist doch völlig surreal. Sie können diesen Stellenabbau für Januar nur mit standesrechtlichen Erschießungen erreichen.

von Beust: Sie denken für einen Parlamentarier zu exekutiv. Sie hätten lieber Amtsrat werden sollen. Mein Vorschlag, 20.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen, habe ich nicht erst jetzt erhoben.

Runde: Mit einem Stellenabbau von 20.000 verändert sich der öffentliche Dienst radikal. Das hat dann mit Rechts- und Sozialstaat nichts mehr zu tun. Man muß bedenken, was das etwa für die Universitäten und die Schulen bedeutet. Der ganze Vorschlag ist absurd.

Maier: Selbst wenn man die Brutalität aufbrächte, es durchzusetzen, ginge es nicht. Bei einer Personalfluktation von drei Prozent können Sie in fünf Jahren nie auf 20.000 Stellen weniger kommen.

von Beust: Dann sind es eben 15.000 – das ist doch auch schon mal etwas.

Maier: Als Amtsrat gesprochen: Bevor Sie an die Öffentlichkeit gehen, hätten Sie vielleicht vorher schlicht mal nachrechnen sollen.

von Beust: Ich habe von fünf bis sieben Jahren gesprochen.

Maier: Dann hätten Sie sieben Jahre lang keinen einzigen neuen Menschen im öffentlichen Dienst und ein Durchschnittsalter von 50 bis 65 Jahren.

Runde: Sie vergessen, Herr von Beust, daß Hamburg um 130.000 Einwohner gewachsen ist. Sie stellen die Zahl 20.000 Stellenstreichungen in den Raum. Dann laufen Sie durch die Stadt und sagen: Hier im Wissenschaftsbereich, hier im Bereich Polizei und wo Sie sonst gerade einen Besuch machen – da darf nicht gespart werden. Und nach allen Ihren Besuchen bleiben in den verbleibenden Bereichen gar keine 20.000 Stellen mehr übrig. Sie sind ein Überflieger und ein Privatisierungs-ideologe jenseits von Rechenhaftigkeit.

von Beust: Ich bin Pragmatiker.

taz: Ist in diesen Zeiten des Mangels noch Platz für Visionen, zum Beispiel die Stadtbahn?

von Beust: Die Stadtbahn ist ein sehr technokratisches Beispiel für eine Vision.

taz: Man könnte auch ein Beispiel der CDU nennen, nur warten wir bisher vergeblich auf eine Vision von Ihnen.

von Beust: Wichtig ist, wie man trotz angespannter Haushaltslage und des Zurückschraubens staatlicher Leistungen Bürgersinn und privates Engagement, das Interesse der gut betuchten Viertel für die schlechter gestellten, weckt. Meine Vision ist: Weniger Steuerbelastung und staatliche Leistungen, die kompensiert werden durch stärkeren Bürgersinn und größere Nachbarschaftshilfe.

Maier: Mit der Stadtbahn könnte man wirklich etwas gestalten. Sie könnte enorme Verbesserungen bringen: Entlastung der Umwelt, Anbindung von verschiedenen Stadtteilen und des Flughafens. Für finanzierbar halte ich sie außerdem.

Runde: Visionen zu verkürzen auf drei Kilometer S-Bahn-Strecke zum Flughafen oder die Stadtbahn ist auch mir zu wenig. Trotzdem: Solange wir den Betriebshaushalt nicht ausgeglichen haben, wird es solche Projekte nicht geben können. Wecken Sie keine falschen Erwartungen.

Maier: Wir halten uns da ausnahmsweise an den Bau- und Verkehrssenator Eugen Wagner, der bereits Töpfchen anlegt für die Stadtbahn.

Runde: Wenn da Töpfchen wären, müßten sie herangezogen werden für unser Hauptproblem, nämlich ein nicht-ausgeglichener Haushalt.

Maier: Sie können die von Wagner gesparten Mitteln – Stellplatzabgaben – nicht umwidmen und ins große Loch stopfen. Das geht haushaltsrechtlich überhaupt nicht.

Runde: Ihr liebevolles Ausmalen des Bausenators gefällt mir ja geradezu, Herr Maier.

von Beust: Oh, rot-grüne Romantik. Sie beide können ja jetzt ein paar alte Kampflieder singen.

Moderation: Silke Mertins