■ Rosi Roland: Weinen um den Vulkan
Nun ist es also aus mit dem Vulkan. Irgendwie muß das ja auch die Bürgerschaft geahnt haben. Aber trotzdem waren die alle vom Donner gerührt, als Bürgermeister Scherf mit erstickter Stimme am Mittwoch die Wahrheit verkündete. Weil der Senat länger beraten mußte als vorgesehen, ging der spannende Teil mit Verzögerung los. Also wurde noch die Tagungsordnung weiter abgehandelt. Der gute grüne Mensch, Arendt Hinrichsen, kämpfte noch für einen Abschiebestopp nach Nigeria und Zaire. Scherf und Finanzsenator Nölle hörten mit verkniffenen Gesichtern zu, als Barbara Wulff für die SPD das Flüchtlingselend in Zaire schilderte. Nur Wirtschaftssenator Perschau schaute verschmitzt in die Runde – aber so ist er eben.
Wedige von der Schulenburg von der CDU war ehrlich. Es fiele ihm schwer, sich angesichts der dramatischen Ereignisse in Bremen mit dem Thema zu beschäftigen. Sprachs - und redete dann doch minutenlang über Afrika. Auch im Parlament zählt halt die Pflicht.
Danach wich das Ritual der Spannung. Als Scherf sprach, hätte man im Plenarsaal eine Stecknadel fallen hören können. „Das ist jetzt besonders wichtig“, sagte der Bürgermeister, als hätte er eben erst die wahre Bedeutung seiner Regierungserklärung erkannt, „Konkursverwalter und Landesregierung stimmen darin überein, daß auf den Handelsschiffneubau am Standort Vegesack zukünftig verzichtet werden muß“. Bumms, das wars. Gestandenen Sozialdemokraten wie Heinz Wenke standen die Tränen in den Augen. Der Mann weiß, was den Vulkanesen blüht. Mit Arbeitslosigkeit hat er Erfahrung.
Helga Trüpel traute sich als erste ans Pult und sprach mit fester Stimme. „Keine Vorwürfe“ wolle sie in dieser schweren Stunde machen. Aber sie erinnert daran, daß die Opposition noch vor Wochen als Vaterlandsverräter beschimpft wurde, als sie einen Kapazitätsabbau auf den Werften als notwendig bezeichnet hatte. Die Herrenriege hinter ihr schaute versteinert. AfB-Mann Ludwig Hettling nutzte dann aber doch die Stunde, um den abgesicherten Beamten einen einzuschenken. Wie könnten die es rechtfertigen, nicht auf ein bißchen Gehalt zu verzichten, wenn Tausende in Vegesack auf der Straße stehen. Doch der lustvolle Streit wollte nicht aufkommen. Aber keine Sorge, diese Apathie vergeht. Denn was wäre ein Bremer Politikerleben ohne die fliegenden Fetzen, fragt sich
Rosi Roland
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