Unis mißtrauen Senatszusicherungen

■ Hochschulpräsidenten lehnen vom Senat angebotenen Vertrag an, weil er keine Planungssicherheit bietet. Kürzungen kämen Schließung einer Universität gleich

Die Universitäten brauchen einen langfristig sicheren Finanzierungsrahmen und eine verläßliche Planungsgrundlage für mindestens fünf Jahre. Mit dieser Forderung antworteten gestern die Präsidenten der drei Universitäten sowie Daimler-Benz-Vorstandsmitglied Manfred Gentz auf den Vorschlag von Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU), Anfang 1997 einen Hochschulvertrag auszuhandeln. Darin will der Senat den Unis Planungssicherheit bis zum Jahr 2000 zusichern.

Als „Augenwischerei“ bezeichnete der Präsident der Freien Universität, Johann Gerlach, die Vertragsvorlage, da sie keine Klarheit über das Ausmaß der finanziellen Belastungen der Unis schaffe. Bis zum Jahr 2003 seien die Universitäten und Hochschulen durch bereits früher getroffene Kürzungen, Struktureingriffe und weitere Einsparvorgaben mit rund 950 Millionen Mark belastet. „Dies bedeutet finanziell die Schließung einer sehr großen Universität in einem zeitlich irrealen Rahmen“, erklärten die Präsidenten in einer gemeinsam verfaßten Erklärung. Dies mit der Einführung von Studiengebühren kompensieren zu wollen, mache laut Gerlach keinen Sinn, wenn damit nicht der Uni-, sondern lediglich der Landeshaushalt finanziert werde.

„Die dramatischen Sparbeschlüsse können zu einer akuten Gefährdung für Wissenschaft und Lehre führen“, sagte Daimler-Manager Gentz. Ein Vertrag mit den Hochschulen sei sinnvoll, wenn die darin enthaltenen Anforderungen auch erfüllbar seien. „Der Senat muß klar sagen“, sagte Gentz, „wieviel Studienplätze er haben will.“ Dafür müsse aber auch entsprechendes wissenschaftliches Lehrpersonal zur Verfügung stehen. Es könne nicht angehen, daß der Zufall eines altersbedingten Ausscheidens zum generellen Strukturprinzip werde. Dies führe letzlich zum Tod der Universität. Seiner Ansicht nach dürften deshalb auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen werden.

„Wenn wir bis zum Jahr 2000 keine wissenschaftliches Personal mehr einstellen würden, dann könnten wir die Sparauflagen erfüllen“, sagte der Präsident der Humboldt-Universität, Hans Meyer. Die Aussichten für die langfristige Entwicklung des Hochschulstandorts Berlin wären jedoch katastrophal. Stellenstreichungen im Mittelbau und Wiederbesetzungssperren schädigten dauerhaft das Leistungsprofil der Unis.

Der Präsident der Technischen Universität, Dieter Schumann, verwies in diesem Zusammenhang auf die „erschreckende“ Entwicklung der Studienplatzzahlen. Die Kürzungslogik des Senats führe letztlich dahin, daß die Zulassungszahlen drastisch heruntergefahren werden müßten. Im Jahr 2003 stünden an den Universitäten dann noch etwa 46.000 budgetierte Studienplätze zur Verfügung. Der Hochschulstandort Berlin verliere dadurch erheblich an Bedeutung.

Die von Senator Radunski vorgeschlagene Einsetzung einer Landeskommission, in der sich Staat und Uni gegenübersitzen, um über die Verwirklichung Hochschulplanung zu beraten, bezeichnete Meyer als völlig unnütz. Sie sei zwar hochrangig besetzt, aber die Letztentscheidung der Kommission, die über die Veränderung oder Aufhebung von Fachbereichen und Studiengängen bstimmen soll, liegt sowieso bei Wissenschaftssenator Radunski.

Damit würde der Hochschulvertrag ad absurdum geführt. Denn was auf der einen Seite – bei einem Hochschulvertrag unter gleichen – aussieht wie eine Stärkung des demokratischen Potentials der Universitäten, bedeutet auf der anderen nichts anderes als die Verschärfung des Eingriffsrechts des Wissenschaftssenators. So wie der Senat mit den Hochschulen umgehe, so HU-Präsident Meyer, „führt mehr noch als die Kürzungsvorhaben zu Unsicherheit, Desolidarisierung und aggressiven Verteilungskämpfen“. Dietmar Neuerer