Erzählen, träumen

Die Head Farm in Odisheim muß man sich ursprünglich als Versuch vorstellen, unter hiesigen Verhältnissen eine Art geistiges Haight-Ashbury zu errichten, ein Produktionszentrum umherschweifender Schriftrebellen und Bluesleute. Zur großen Enttäuschung des Helmut Salzinger gehört, daß es in „Moor“, seinem letztem, aus dem Nachlaß zusammengestellten Buch, Leerstelle bleibt. Im „Versuch, nichts zu erzählen“ (Untertitel) maskiert der 1993 gestorbene Autor, Ex-Rockkritiker und Head-Farm-Gründer sich als Zen-Buddhist, der beim Durchstreifen der Landschaft ganz aktuelle Wahrnehmung wird. Gerüche, Vogelrufe, gefundene und geträumte Wege sind das Subjekt dieses Schreibens, nur gelegentlich erweitert zu einer proto-ökologischen Reflexion, die Mensch und Natur zusammenkriegen will, aber immer nur schwankenden Boden vorfindet: „Es ist ein Gemisch aus Erde und Wasser, ein amphibischer Ort. Eigentlich könnte man hier Krokodile aussetzen“.

Wie genau diese Mischung von Verwilderung, meditativer Disziplin und Selbstauslöschung im nordischen Flachland sich zum spezifisch deutschen Verfall des Glaubens an Rock Power und andere Dröhnungen verhält, bleibt auch nach Lektüre eines zeitgleich erschienen Bändchens mit gesammelten Salzinger-Hommagen ein Rätsel. Benjamin, Nietzsche, Castaneda, Hesse, Brinkmann, Jerry Garcia geistern mit dem Paysan d'Odisheim durchs Moor und feiern einen einsamen, nüchternen Rausch: „Es ist nichts, aber wenigstens ist es wirklich“. tg

Helmut Salzinger: „Moor. Ein Versuch, nichts zu erzählen“. Head Farm Odisheim 1996, 137 Seiten, 28 DM

Klaus Modick, MO Salzinger, Michael Kellner: „Humus. Hommage a Helmut Salzinger“, Kellner Verlag, 142 Seiten, 28 DM