Flirten, tanzen

Ob in Techno-Clubs oder Turnschuhläden – Pop ist kein Leitbild mehr. Was einmal zwischen „Teenage Revolution“ und „Patchwork der Minderheiten“ angesiedelt war, wird heute eher als globaler Mainstream im Freizeitknast angefeindet. Schluß mit lustig. Dabei kam der Niedergang gar nicht überraschend: Frank Sinatras Auftritte im Zweiten Weltkrieg, Elvis unter Polizeischutz und später beim Militär, die Beatles bei der Queen oder James Brown als Streikbrecher der „black riots“.

Zugleich zählt gerade die Wandlungsfähigkeit von Kunst bis Kapital zu den Stärken des Pop. Stets bilden seine Phänomene doch auch den Effekt der „Kulturindustrie“ mit ab. Kein Jackson Pollock ohne die weißen Museumswürfel des international style, keine Psychedelia-Hemden ohne Polyester, kein Punk ohne Plastik.

Diese Doppelbindung stellen der britische Autor Hanif Kureishi und Sex-Pistols-Biograph Jon Savage ihrem „faber book of pop“ voran, und lassen auf 860 Seiten gesammelte Rezensionen, Essays und biographische Schnipsel aus 50 Jahren Popkultur folgen. Das Ganze ist wie sein Gegenstand verschwenderisch angelegt. Malcolm X erinnert sich an erste durchtanzte Nächte 1942; Joe Orton flirtet mit den Easybeats; Ice-T verteidigt seinen Song „Cop Killer“.

Dazwischen versuchen Kritiker vom New Yorker oder NME die Verwässerung der Milieus in den Griff zu bekommen: Für Hunter S. Thompson waren die Hippies von Haight Ashbury das Ende des US- Undergrounds, die britische Times wiederum veröffentlichte im Juli 1967 eine Verteidigungsrede für Mick Jagger, der tags zuvor wegen Aufputschpillen vor Gericht stand. Die Drogen als Reizthema haben sich gehalten, das Buch endet im Oktober 1994 mit Ecstasy. hf

„The faber book of pop“. Hrsg. von Hanif Kureishi und Jon Savage, faber and faber, London 1995, 860 Seiten, ca. 39 DM.