Spazieren, grüßen

Er schrieb über die Mode weiblicher Damenbärte, kolportierte Politikerklatsch und belustigte sich über die Diskussion, welchen Gruß Damen auf der Straße vorüberziehenden Regimentern entbieten sollten. Victor Auburtin, der zwischen 1911 und 1914 für das Berliner Tageblatt aus Paris berichtete, näherte sich den Ereignissen von den Rändern her, ohne das Wesentliche dabei zu versäumen – die Korrespondenz als Lesestück.

Auburtin (1870–1928) war gebürtiger Berliner, und er war Feuilletonist. Mit sanfter Ironie beschrieb er – schon vor seiner Pariser Zeit etwa im Simplicissimus – die Deformation des Großstadtlebens und besang jene, die dabei auf der Strecke blieben. Zauberhafte Momentaufnahmen voller leichtfertiger Frauen, herabfallender Monokel und Zwanzigmarkstücke am Wegesrand. Auburtin war ein Mann des Wilhelminismus. Kritisch gegen die Obrigkeit, aber auch fortschrittskeptisch und dem Klassizismus zugeneigt. Mit den analytischen Flanerien eines Siegfried Kracauer lassen sich Auburtins Feuilletons aus den 20er Jahren nicht vergleichen. Auch die Aufzeichnungen, die er aus seiner dreieinhalbjährigen Haft in Frankreich (man hielt ihn für einen Spion) rettete und später ergänzte, sind – den Umständen, aber auch seinem Naturell entsprechend – taktvoll melancholisch gehalten.

Viele Texte von Auburtin erschienen bereits zu Lebzeiten in Buchform. Wie die 1970 von Heinz Knobloch gesammelten „Sündenfälle“ sind sie natürlich vergriffen. In seinem Berliner Verlag Das Arsenal gibt nun Peter Moses-Krause seit zwei Jahren eine auf sechs Bände angelegte Werkausgabe heraus, in der auch zahlreiche Zeitungsartikel erstmals nachgedruckt werden. Liebevoll gemachte Bücher, deren Einbände mit Aquarellmustern geschmückt sind, die Auburtins zartem Stil aufs schönste entsprechen. PK

Victor Auburtins gesammelte kleine Prosa. Hrsg. von Peter Moses-Krause. Das Arsenal, pro Band zwischen 34 DM und 49,80 DM