■ Nachschlag
: Diktatur-Drama in der Humboldt-Uni

Mehr als 60 Berliner Bühnen boten am Samstag dem geneigten Publikum ihre Aufführungen dar. Eigentlich ein Wunder, daß sich Tag für Tag Menschen versammeln, um anderen Menschen beim Spielen zuzusehen.

40 Männer und Frauen fanden sich etwa in der Studiobühne der Humboldt-Universität ein, zur zweiten Aufführung von Jorge Goldenbergs „Knepp“. Sie kamen, obwohl es die Menschen gemeinhin vorziehen, Unangenehmes zu ignorieren und Fernliegendes zu vergessen. Das unbekannte Stück des ebenso unbekannten Autors handelt von der Zeit der vorerst letzten argentinischen Militärdiktatur. Wir wissen nicht, was das Publikum bewegte zu erscheinen.

Leider ließ auch die Aufführung nur erahnen, was die Regisseure Jochen Freydank – von Haus aus Regieassistent bei Fernsehen, Film und Musicals – und Uwe Gröschel – Theaterwissenschaftsstudent an der Humboldt-Uni – bewegt hat, dieses Stück zu inszenieren. Der Spezialist Knepp, ein Abgesandter der Machthaber, soll Maria Helena dazu bewegen, die Nachforschungen nach ihrem verschwundenen Mann Raul einzustellen. Dazu bedient er sich aller Tricks der Verstellung und Marias Liebesbeziehung zu Luis. Doch ihre Treue zu Raul (oder ihre Schuldgefühle wegen der „verbotenen“ Liebe zu Luis) erweisen sich als mächtiger. Auch der totalitären Diktatur gelingt es nicht, die seelische Energie der einzelnen für die Legitimierung der mörderischen Herrschaftspraxis in Dienst zu stellen. Maria weigert sich, über die Liebe zu Luis ihren Mann zu vergessen und für tot erklären zu lassen.

Dem eigens für die Produktion zusammengestellten Ensemble von freien Schauspielerinnen und Schauspielern gelang es nicht, die existentielle Not der Figuren sichtbar zu machen. Der Kampf um die Selbstbehauptung blieb selbst Behauptung. Trotz gelegentlicher Ausbrüche in Lautheit schien die Maria Helena von Heike Schober vor allem damit beschäftigt, ihre Spielvorgänge erst zu denken, dann zu spielen und zuletzt mit dem Text zu versehen. Strafverschärfend kappte eine falsche Dramaturgie unverzichtbare Textzusammenhänge, die ihr Verhalten motivieren. Die textillustrierende Regie bemühte sich zwar um einen ausgedörrten Psychorealismus, gestattete dem Knepp von Gunnar Teuber jedoch ausufernde Mätzchen, daß schließlich jeder Realismus zerstört am Boden lag. Mehr als die Erinnerung ans Schicksal der in Argentinien Verschwundenen und ihrer Hinterbliebenen brachte der Abend nicht. Nikolaus Merck

Weitere Aufführungen: 20./21. 12., 19.30 Uhr und 22. 12., 18.30 Uhr, in der Studiobühne der Humboldt-Universität, Sophienstraße 22 a.