Schlechtes Image bei Schülern und Arbeitgebern

■ In Kreuzberg wird eine Hauptschule zugunsten einer Gesamtschule aufgelöst

Dem Trend zur Gesamtschule unter SchülerInnen fällt jetzt die Hans-Sachs-Hauptschule in Kreuzberg zum Opfer. Im Sommer 1997 soll sie aufgelöst werden. Die benachbarte 3. Gesamtschule soll zusätzlich in das Gebäude einziehen.

Nach Angaben der bündnisgrünen Bildungsstadträtin Hannelore May stehen die Gesamtschulen in der Gunst der Kreuzberger Schüler ganz oben. Im vergangenen Jahr hätten 200 von ihnen keinen Platz in einer der drei Kreuzberger Gesamtschulen bekommen. Manche pendelten nun täglich nach Spandau, um dennoch eine Gesamtschule besuchen zu können. Die sieben Kreuzberger Hauptschulen seien dagegen für viele Schüler nur eine Notlösung: „Der Wunsch, zur Hauptschule zu gehen, tendiert gegen Null“, sagt May. Dieser Schulzweig habe ein schlechtes Image bei Schülern und künftigen Arbeitgebern. Auch die Möglichkeit, an Hauptschulen Realschulabschlüsse zu machen, habe daran nichts geändert.

Dennoch betont Stadträtin May: „Die Hauptschule ist kein Auslaufmodell.“ Obwohl Kreuzberg der Bezirk mit der höchsten Hauptschul-Quote in Berlin sei, werde keine weitere Schule zugunsten einer Gesamtschule geschlossen. „Für manche Kinder ist es wirklich am besten, wenn sie eine Hauptschule besuchen“, erklärt sie. Denn dort könnten sie über das reine Lernen hinaus intensiver pädagogisch betreut werden als an einer Gesamtschule.

Viele Lehrer der Hans-Sachs- Oberschule protestieren gegen die drohende Schließung. Schulleiter Winkler erklärt: „Es stimmt einfach nicht, daß es für unsere Schule keinen Bedarf mehr gibt.“ Er habe bis zuletzt genügend Anmeldungen für seine Hauptschule gehabt. Lehrer Wolfgang Schenk warnt sogar davor, daß sich die Lernbedingungen für die 160 SchülerInnen verschlechtern. Die Hauptschulklassen seien mit rund 18 SchülerInnen um ein Drittel kleiner als an Gesamtschulen. Das sei gerade bei schwierigen Klassen sehr sinnvoll: „Bei uns sind nun mal viele Schüler nicht so, wie die Lehrer sie gerne hätten.“

Manfred Claudi, kommissarischer Schulleiter der 3. Gesamtschule, läßt dieses Argument für die Hauptschule nicht gelten: „In der Gesamtschule findet nur die Hälfte des Unterrichts im Klassenverband statt. In vielen Fächern gibt es nämlich Lerngruppen mit durchschnittlich 17 Schülern.“

Stadträtin May hält die Proteste für „verständlich, aber realitätsfern“. Die Schließung sei schon vor Jahren abzusehen gewesen. Jammern helfe jetzt nicht weiter. „Wir müssen zusehen, daß wir die Schüler sinnvoll an anderen Schulen unterbringen.“ Christoph Schäfer