Heilige Feiertage zum Fressen und Saufen

■ Kein christliches Fest ist so erfolgreich wie das Weihnachtsfest – kaum eines ist aber auch so „jung“ / Unsere Weihnachtsbräuche, Folge 3

Mehrere Jahrhunderte lang haben die christlichen Prediger versucht, den Gläubigen „ihr“ Weihnachtsfest auszureden – vergeblich. Inzwischen ist es zu dem kulturellen „Exportschlager“ des christlichen Abendlandes geworden, muslimische Minderheiten in christlich dominierten Kulturen stecken auch ihre Kerzen ans Tannengrün am 24. Dezember.

Ohne den Tannenbaum und die Kerzen wäre der Erfolg des Weihnachtsbrauches nicht denkbar gewesen. Beides sind Erfindungen der aufgeklärten Neuzeit. „Lappalien“, die den Blick auf Christus verstellen, wie der Münsterprediger Conrad Dannhauer 1657 schimpfte: „Unter den Lappalien, damit ( mit denen) man die ganze Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort und heiligen Überzeugungen zubringt, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen oder Zucker behängt und ihn hernach schütteln und abblümen läßt.. Viel besser wäre es, man weihte die Kinder auf den geistlichen Zedernbaum Christum Jesum...“ Fasten sollten die echten Christen, predigte die Kirche damals noch, und sich so geistig auf das Ereignis der Christgeburt vorbereiten.

Aber die Menschen wollten es anders. „Diejenigen legen das Jesus-Kindlein in eine feurige Wiege voll des höllischen Wassers, die in den Christ-Feyertagen nur ihren Wollüsten und Üppigkeiten nachgehen und welche sich einbilden, die heiligen Feyertage seien zu nichts anderem da als zum Fressen und Saufen, zum Spielen und Spazierengehen, wie es leider schon bei vielen der Brauch ist nach dem alten Sprichwort: Je heiliger die Zeit, desto schlimmer die Leut...“

Schon in vorchristlicher Zeit war den Germanen das Grün im Winter ein Symbol für die Hoffnung auf das nächste Frühjahr. Immergrüne Zweige über der Haustüre, insbesondere die vom Buchsbaum und der Stechpalme, sollten Dämonen, Hexen, Krankheiten und den Blitz vertreiben, zum Jahresende schenkte man den Kindern Äpfel, Nüsse und Lebkuchen. „Klausenbaum“ hießen die Vorgänger des Weihnachtsbaumes, also Nikolaus-Bäume, ein mit Buchsbaum oder Tannengrün geschmücktes, pyramidenförmiges Gestell, mit Äpfeln und einzelnen Kerzen besetzt, das zur Nikolaus-Prozession durch die Straßen getragen und am 6. Januar den Kindern zum Plündern freigegeben wurde. Lange war diese Pyramide noch der Christbaumersatz für die ärmeren Schichten.

Aus der glücklichen Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg wird erstmals von dem Brauch berichtet, statt der preiswerten Zweige einen ganzen Tannenbaum zu nehmen – mit dem Stamm an die Decke gebunden hing er in der Stube, mit Köstlichkeiten behängt, aber ohne die Lichtsymbolik. Erst als 1818 das Stearin und 1830 Paraffin erfunden waren, wurden Kerzen zu einem erschwinglichen Luxusgegenstand. Auch Zucker war im beginnenden 19. Jahrhundert keine extreme Kostbarkeit mehr. „Von oben nach unten“ verbreitete sich der Weihnachtsbrauch im 19. Jahrhundert als das Kinder- und Familienfest, und am Ende stand der Tannenbaum in allen Wohnzimmern auf gußeisernen (seit 1866) Ständern; darunter wurden die Geschenke, die es drei Jahrhunderte früher noch am Nikolaustag gegeben hatte, gelegt.

Jede Zeit schmückte den Baum stolz mit ihren symbolträchtigsten Insignien. In der Gründerzeit kam das Blechspielzeug an die Zweige, der Jugendstil-Baum war silbrig-weiß geschmückt mit Engelshaar und Lametta. Im ersten Weltkrieg hingen gläserne U-Boote, Minen und Kaiserbilder am Tannenbaum, in der schlechten Zeit 1944 wurden Kaffeetassen mit der Aufschrift „Kriegsweihnacht 1944“ verschenkt.

In den Kinderläden der 68er Studentenrevolution gab es einen kurzen, vollkommen vergeblichen Aufstand gegen den Weihnachtsbaum, die Kinder selbst lehnten den aufklärerischen Umgang ihrer Eltern mit dem Weihnachtsbrauch ab.

„Es gibt keinen heidnischen Bezug bei unserem Weihnachtsbaum“, stellt der Berliner Sektenbeauftragte Thomas Gandow erleichtert fest. Beweis: „Der heutige Weihnachtslichterbaum ist erst entstanden im 17. und 18. Jahrhundert mit der Sitte der Kinderbescherung...“

Und es kann ja nicht schlecht sein, was der guten Sache hilft: „Gott, der Schwäche unseres Glaubens eingedenk, will uns helfen ...“ K.W.