■ Vorschlag
: Athol Fugards Stück "Die Insel" im Hackeschen Hof-Theater - allgemeinmenschlich interpretiert

Industrial Hard Rock dröhnt durch den Zuschauerraum. Zwei Strafgefangene schleppen bis zum Kollaps überdimensionale Pflastersteine von links nach rechts und salutieren alle zehn Sekunden mit Gebrüll. Die Zuschauer drängen auf ihre Plätze, die Schauspieler liegen japsend auf der Bühne, und die Vorstellung beginnt mit einem furiosen ersten Akt. Schauplatz des Stückes ist die Zelle (knast- gerecht kahles Bühnenbild: Michael Römer) zweier Häftlinge, John und Winston, die Sophokles' Antigone für eine knastinterne Feier proben wollen. Winston soll die Antigone spielen, aber er verweigert die Rolle. Er begreift die theatralische Illusion nicht und fürchtet, ausgelacht zu werden.

„Die Insel“ des Südafrikaners Athol Fugard ist 1973 unter dem Apartheidsystem entstanden, mit der Insel ist „Robben Island“ vor Kapstadt gemeint, die berüchtigte Gefängnisinsel für „Politische“. Im Hackeschen Hof-Theater inszenierte Rike Eckermann das Stück jedoch nicht als Anti-Apartheid-Drama. Ihre „Insel“ kann überall dort liegen, wo zwei Menschen in der Isolation aneinander gekettet sind. Es geht hier vor allem um die Beziehung, das Mit- und Gegeneinander.

In aller Gegensätzlichkeit begegnen sich Winston und John und versuchen, jeder auf seine Weise, ihre Würde zu retten. Das Pendel schwingt zwischen Liebe und Haß, zwischen Mordversuch und Homoerotik, letztlich sind sie jedoch solidarisch verbunden. Als John von seiner vorzeitigen Entlassung erfährt, erkennt Winston, daß er selbst mit seinem „lebenslänglich“ keine Zukunft hat und wie Antigone bei lebendigem Leib eingemauert ist. Während Axel Strothmann einen sehr überzeugenden John präsentiert, hat Thomas Cermaks Winston anfangs (vor allem sprachliche) Schwächen, steigert sich aber, als die beiden in ihrer Zelle die Pantomime eines Fernsehabends aufführen: Wetterbericht, Western, Sport, zwischendurch klingelt das Handy. Ein Gag jagt den anderen, es ist komisch, doch nie albern. Rike Eckermann schließt hier gekonnt an die gestisch- mimische Tradition des Hackeschen Hof-Theaters an.

Als Finale führen John und Winston vor ihrer Zelle Verhör und Verurteilung der Antigone auf, was zu einer Häftlingsrevolte führt, die blutig niedergeschlagen wird. Trotz eines allzu stilisierten Schlusses überzeugt die Inszenierung, gerade weil sie kein Zeitstück produziert und keine Anti-Apartheid-Antigone, keine Märtyrerin auf die Bühne stellt. Der politische Gehalt liegt in der Beziehung zwischen den Opfern. Johanna v. Koppenfels

Nächste Vorstellung heute, 21 Uhr, Hackesches Hof-Theater, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte